Havenhurst - Haus meiner Ahnen
um ihre Unsicherheit zu verbergen, griff sich ein großes Tuch und band es sich um ihre schmale Taille.
Sie blickte so mutig drein, daß Ian sich abwenden mußte, um sie nicht womöglich noch anzulächeln. „Nur zu“, meinte er und zog sich zurück.
Eine Stunde später griff Elizabeth nach dem Specktiegel, verbrannte sich die Hand und schrie auf. Sie wickelte ein Tuch um den heißen Stiel, zog den Tiegel vom Feuer, arrangierte die Speckscheiben auf einem großen Teller und legte die Brotscheiben dekorativ darüber. Das Ganze trug sie zum Tisch, an dem Ian gerade Platz genommen hatte. Dann kehrte sie zum Herd zurück, um die Eier aus der Pfanne zu heben. Da ihr das nicht gelang, trug sie einfach die ganze Pfanne zum Tisch.
„Ich dachte, Sie als Hausherr möchten vielleicht selbst auftun“, sagte sie sehr formell.
„Gewiß“, antwortete Ian und akzeptierte die Ehre so ernst, wie sie ihm angeboten worden war. Dann blickte er erwartungsvoll in die Pfanne. „Was haben wir denn hier Schönes?“
Elizabeth setzte sich ihm gegenüber und hielt vorsichtshalber den Blick gesenkt. „Eier“, antwortete sie und entfaltete umständlich ihre Serviette. „Leider ist das Eigelb zerlaufen.“
„Das macht nichts“, versicherte Ian höflich und nahm den Spatel zur Hand. Zuerst versuchte er, die Eier anzuheben, dann vom Pfannenboden loszustemmen.
„Sie haben sich ein wenig angesetzt“, erklärte Elizabeth überflüssigerweise.
„Nein, sie haben sich fest in die Pfanne eingebrannt“, berichtigte Ian, aber wenigstens klang das nicht böse, und nach einigen Versuchen gelang es ihm auch, einen Streifen loszumeißeln, den er auf Elizabeths Teller legte. Einen zweiten Streifen tat er sich selbst auf. Dann reichte er ihr die Platte mit dem halbverkohlten Speck, wovon sie sich zwei und er sich anschließend drei Scheiben nahm.
Beide betrachteten nun ihren jeweiligen Teller und überlegten, welche Teile am eßbarsten aussahen. Beide gabelten sich einen Speckstreifen auf und bissen gleichzeitig hinein. Als sie kauten, hörte es sich etwa so an, wie wenn ein trockener Ast von einem Baum gebrochen wurde.
Elizabeths Magen revoltierte, Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie erwartete jeden Moment einen vernichtenden Kommentar von der anderen Tischseite. Der kam aber nicht. Statt dessen fühlte sie Ians Blick auf sich gerichtet, und ihre Tränen brannten noch heißer. „Möchten Sie ein wenig Kaffee?“ fragte sie mit erstickter Stimme.
„Ja, vielen Dank.“
Sie stand auf und ging zum Herd. Jetzt hatte sie ein paar Augenblicke, um sich zu sammeln, aber die Tränen verschleierten ihren Blick so sehr, daß sie den Kaffee beinahe blind in einen Becher goß und damit an den Tisch zurückkehrte.
Ian betrachtete das geschlagene Mädchen, das mit gesenktem Kopf und im Schoß gefalteten Händen vor ihm saß, und wußte nicht recht, ob er nun einen Lachanfall bekommen oder Elizabeth trösten sollte. Da das Kauen indessen den ganzen Mann forderte, konnte er weder das eine noch das andere tun.
Schließlich schluckte er den letzten Bissen hinunter. „Das war sehr ... sättigend.“
In der Hoffnung, Ian habe das Mehl vielleicht doch nicht so grauenhaft gefunden, hob sie zögernd den Blick. „Ich habe nicht soviel Erfahrung mit dem Kochen“, gab sie leise zu. Sie sah, wie er einen Schluck Kaffee nahm, ein entsetztes Gesicht machte und dann den Kaffee ... kaute.
Sie erhob sich, straffte die Schultern und erklärte: „Nach dem Frühstück mache ich immer einen Spaziergang. Entschuldigen Sie mich bitte.“
Immer noch kauend, sah Ian sie vom Haus flüchten. Dann spie er erleichtert den Kaffeesatz aus.
12. KAPITEL
Elizabeths Frühstück hatte Ians Hunger in der Tat restlos vertrieben. Allein bei dem Gedanken, jemals wieder etwas essen zu müssen, drehte sich ihm dabei jetzt schon der Magen um.
Um nach seinem Pferd zu sehen, das sich Jake zufolge einen Stein eingetreten hatte, verließ er das Haus. Auf halbem Weg zum Stall entdeckte er Elizabeth. Mitten zwischen den wilden Hyazinthen saß sie am Hügelabhang. Die Arme hatte sie um die Knie geschlungen und den Kopf daraufgelegt. Obwohl ihr Haar wie gesponnenes Gold glänzte, bot sie ein herzzerreißendes Bild des Jammers.
Ian wollte sie eigentlich ihrem Kummer überlassen, doch dann seufzte er ungehalten und stieg zu ihr hinunter. Schon aus der Entfernung sah er, daß ihre Schultern vom Schluchzen geschüttelt wurden. Es war also offensichtlich zwecklos, so zu tun, als wäre
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