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Havenhurst - Haus meiner Ahnen

Titel: Havenhurst - Haus meiner Ahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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gelangweilt.
    „Das ist genau die Tonlage, in der sich Ihr Großvater jetzt auch geäußert hätte“, stellte Lucinda zufrieden fest. „Aber das ist nicht der Kern der Sache.“
    „Darf ich fragen, welches der ,Kern der Sache' ist?“ „Gewiß. Der Kern der Sache ist, daß ich über alles unterrichtet bin, was sich zwischen Ihnen und Elizabeth zugetragen hat, und ich bin geneigt, die Schuld daran weder Ihrem Benehmen noch Ihrer Charakterlosigkeit, sondern Ihrer mangelnden Urteilsfähigkeit zuzuschreiben. Mangelnde Urteilsfähigkeit auf beiden Seiten“, fügte sie hinzu.
    „So?“
    „In der Tat. Was außer mangelnder Urteilsfähigkeit könnte eine Siebzehnjährige dazu veranlaßt haben, einen notorischen Glücksspieler zu verteidigen und sich damit selbst höchster Mißbilligung auszusetzen?“
    „Ja, was wohl?“ Ian verlor langsam die Geduld.
    „Diese Frage können nur Sie und Elizabeth beantworten. Jedenfalls dürfte es derselbe Grund gewesen sein, der sie dazu veranlaßte, die Holzfällerhütte nicht sofort wieder zu verlassen, als sie Sie darin vorfand.“
    Jetzt wurde Lucinda wieder streng, und das lag ihr auch wesentlich besser. „Wie dem auch sei, das ist jetzt Schnee von ehedem. Elizabeth hat für ihre mangelnde Urteilsfähigkeit teuer bezahlt, was nur gerecht ist, und daß sie sich deswegen jetzt in einer beklemmenden Situation befindet, ist ebenfalls nur gerecht.“
    „Madam, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit für müßige Konversation. Falls Sie etwas Bestimmtes zu sagen haben, dann tun Sie es bitte.“
    „Sehr wohl. Es ist unter anderem meine Aufgabe, hier dafür zu sorgen, daß meiner Schutzbefohlenen keine Ungehörigkeiten widerfahren. Ich bin jedoch zu der Überzeugung gelangt, daß keine Anstandsdame nötig ist, um Sie von Ungehörigkeiten Elizabeth gegenüber abzuhalten. Viel eher benötigen Sie beide einen Aufpasser, der sie davon abhält, sich gegenseitig umzubringen.“
    Lucinda wartete Ians Kommentar nicht ab. „Meine eigene Aufgabe sehe ich jetzt darin, für das Wohl meiner Schutzbefohlenen benötigtes Personal zu beschaffen. Ich bitte also um Ihr Wort als Gentleman, daß Sie Elizabeth während meiner Abwesenheit weder mit Worten noch mit Taten beleidigen. Sie wurde schon von ihrem Onkel übel behandelt, und ich lasse es nicht zu, daß ihr diese schreckliche Spanne ihres Lebens noch schwieriger gemacht wird, als sie bereits ist.“ „Was meinen Sie mit schreckliche Spanne ihres Lebens'?“ fragte Ian, obwohl er doch mit Elizabeth nichts mehr zu tun haben wollte.
    „Selbstverständlich steht es mir nicht zu, darüber zu reden.“ Lucinda hatte Mühe, sich den Triumph nicht anmerken zu lassen. „Ich möchte lediglich sicherstellen, daß Sie sich wie ein Gentleman benehmen. Geben Sie mir Ihr Wort?“ „Bei mir ist Elizabeth vollkommen sicher“, erklärte Ian ohne zu zögern.
    „Genau das hoffte ich zu hören“, log Lucinda schamlos.
    ★
    Elizabeth sah Lucinda zusammen mit Ian aus dem Haus treten. Aus den Mienen der beiden konnte sie nicht entnehmen, worüber sie gesprochen hatten.
    Die einzige Miene, die irgendwelche, Gefühle verriet, war die von Jake Wiley, der zwei Pferde heranführte, und sein Gesicht spiegelte unverkennbar Schadenfreude.
    Mit einer ausholenden Armbewegung und einer Verbeugung deutete er auf den schwarzen Hengst, der einen Damensattel trug. „Hier ist Ihr Pferd, Ma’am“, teilte er Lucinda unverhohlen grinsend mit. „Es heißt Attila.“
    Lucinda warf einen verächtlichen Blick auf das Tier, wechselte ihren Regenschirm von der linken in die rechte Hand und streifte sich die schwarzen Handschuhe über. „Haben Sie nichts Besseres?“
    „Leider nein, Ma’am. Ians Pferd hat sich einen Stein eingetreten.“
    „Nun gut.“ Forsch trat Lucinda auf den schwarzen Hengst zu. Sobald sie ihm jedoch nahe kam, bleckte er die Zähne und machte einen Satz vorwärts. Ohne auch nur eine einzige Sekunde im Schritt zu stocken, versetzte Lucinda ihm mit ihrem Regenschirm eins zwischen die Ohren und ging dann unbeirrt weiter zur Sattelseite.
    Jake hielt Attila jetzt fest an der Kandare, und Ian half Lucinda beim Aufsitzen. Sobald Jake ihr die Zügel übergeben hatte, sprang Attila seitwärts und tänzelte dann verärgert um die eigene Achse.
    „Ich dulde keine übellaunigen Tiere!“ warnte Lucinda den Hengst streng, und als dieser seine nervösen Possen nicht einstellte, zog sie scharf an den Zügeln und stieß ihm gleichzeitig ihren Regenschirm in die Flanke.

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