Havoc - Verwüstung - Thriller
Niagara und den weiten Bogen der Rainbow Bridge jenseits der aufwallenden Gischtwolken erkennen.
Er hatte vielleicht noch zwei Minuten oder sogar weniger Zeit, um sein Werk zu vollenden - und bisher noch keinen Gedanken daran verschwendet, wie es möglich war, sich aus seiner prekären Lage zu befreien. Zwischen der Schute und dem Rand der Wasserfälle gab es keine großen Felsen mehr, die aus dem Wasser ragten und auf die er sich hätte mit einem Sprung retten können. Und falls er versuchen sollte, sein Glück schwimmend zu versuchen, würde er unweigerlich über die Kante gerissen werden. Das Getöse der in die
Tiefe stürzenden Wassermassen hallte in seinem Schädel wider und machte es ihm fast unmöglich, sich auf das zu konzentrieren, was noch getan werden musste. Die ersten drei Verschlüsse waren dicht - und er hatte soeben damit begonnen, den Sack zuzuschnüren, als Booker abermals in die Luft schoss. Mercer blickte auf und wurde im gleichen Moment von hinten gerammt und nach vorn geschleudert. Er erkannte den schwarzen Overall eines der Fallschirmspringer, als er einen Fußtritt unter das Kinn erhielt. Der Fallschirmspringer musste es irgendwie geschafft haben, das Bass-Boat rechtzeitig zu verlassen, ehe es zerquetscht wurde. Wahrscheinlich hatte er sich in der Nähe des Motors aufgehalten, dessen kompakte Konstruktion dem seitlichen Druck einigermaßen standgehalten hatte, und einige Zeit gebraucht, um sich auf die Schute zu hieven.
Mercers Kopf zuckte nach hinten und krachte auf das Bootsdeck. Er kämpfte gegen eine dunkle Woge an, die sein Bewusstsein zu verschlingen drohte, und rollte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite, als der Mann versuchte, ihm mit dem Fuß die Nase zu zerschmettern. Der leere Rumpf der Schute gab einen dumpfen Glockenton von sich, als der Fuß hammergleich auf die Decksplatten knallte. Mercer packte den Fuß des Mannes mit beiden Händen und drehte ihn ruckartig herum - so weit er konnte. Der Mann stürzte, und Mercer nutzte seinen Schwung, um sich in eine sitzende Position aufzurichten. Er rammte dem Mann seinen Ellbogen mit aller Kraft in den Unterleib und kam dann schwankend auf die Füße. Die Schute war am Rand der Felskante hängen geblieben, wo das Wasser nur knapp einen Meter tief war. Der Niagara Gorge war eine Schlucht, die kein Ende zu haben schien.
Er drehte sich abermals herum, als sein Gegner ebenfalls
auf die Beine kam. Mercer erkannte ihn. Es war nicht Poli, sondern einer der Männer, die ihn beim Blutbad im Deco-Palace-Hotel begleitet hatten. Mercers Schmeisser lag auf einer der Kisten und war zu weit entfernt, daher griff er blindlings an. Die beiden Männer prallten zusammen und stürzten in das Wasser, das über die Schute spülte. Es war zwar nur dreißig Zentimeter hoch, aber die Strömung wirkte erbarmungslos. Mercer verlor auf den glitschigen Deckplatten den Halt und schoss sieben Meter weit in Richtung Bug, ehe er mit den Füßen seine Rutschpartie abbremsen und wieder aufstehen konnte. Der vordere Rand der Schute ragte bereits weit über die Kante des Wasserfalls, und der Rumpf rutschte mit einem lauten Knirschen unaufhaltsam weiter - dem drohenden Abgrund entgegen.
In diesem Augenblick gewahrte er seine einzige Chance auf Rettung. Der Fallschirmspringer war ebenfalls auf die Füße gekommen, doch er stand zusammengekrümmt da und rang verzweifelt nach Luft. Mercer watete im Laufschritt zu den Kisten und schnappte sich seine Waffe. Der weiße Söldner griff nach der Pistole in seinem Schulterhalfter, doch er war nicht schnell genug. Mercer feuerte einhändig aus der Hüfte. Das Gewehr bockte so heftig, dass es seinem Griff beinahe entglitt, und zwei Neun-Millimeter-Projektile bohrten sich in die Brust des Mannes. Er ging zu Boden und wurde augenblicklich von der Strömung erfasst. Mercer ließ die Schmeisser fallen und hechtete auf den Körper des Mannes zu, packte ihn bei den Haaren, ehe er von der Schute gesogen wurde. Dann schleppte er die Leiche gegen die Strömung hinter sich her und schaffte es, im Schutz der Kisten den Reservefallschirm des Mannes von seinem Rücken zu lösen.
Er war noch nicht oft genug mit einem Fallschirm abgesprungen, um zu wissen, ob er ihn richtig angeschnallt hatte,
aber daran konnte er jetzt nichts mehr ändern. Das Heck der Schute hob sich gerade, als die Strömung sie zentimeterweise zum Umkipppunkt schob.
Mercers größtes Problem bestand zu diesem Zeitpunkt nicht darin, dass er sich so hoch über dem Abgrund
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