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Havoc - Verwüstung - Thriller

Havoc - Verwüstung - Thriller

Titel: Havoc - Verwüstung - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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befand. Das Problem war eher, dass die Höhe nicht ausreichte. Siebzig Meter waren eine ansehnliche Strecke, aber bei Weitem nicht hoch genug, damit sich ein Fallschirm ordnungsgemäß entfalten konnte. Wenn er sprang, wäre es nicht anders, als hätte er überhaupt keinen Fallschirm. Mercer rannte zum Kran zurück, drehte ihn auf seiner Lafette, bis er nach achtern ausgerichtet war und den Schwerpunkt der Schute zu seinen Gunsten verlagerte. Dann betätigte er die Hebel, die den Ausleger nahezu in die Senkrechte brachten, und schaltete die Hydraulik ein, die den Kranausleger auf seine volle Länge ausfahren ließ. Damit verschaffte er sich zusätzliche dreißig Meter an Höhe.
    Am ersten Teilstück des Kranauslegers befanden sich angeschweißte Leitersprossen, und noch während der Teleskopausleger hochfuhr, begann Mercer, auf ihnen hinaufzusteigen. An den nächsten drei Abschnitten gab es keine Handgriffe mehr, daher musste er sich auf die Kraft seiner Hände verlassen, um die glatte Röhre wie ein Affe zu erklettern.
    Er erreichte den höchsten Punkt im gleichen Moment, als die Welt um ihn herum zu kippen begann. Die Schute schrammte über die Felskante. Die Kisten rutschten über das Deck und verschwanden in den abstürzenden Wassermassen. Mercer löste den Hilfsschirm aus und hielt ihn mit der rechten Hand hoch, während die Schute von der Strömung des Niagara River ruckartig weitergeschoben wurde. Er wartete einen Herzschlag lang, bis sich der Kranausleger genau in der Senkrechten befand. Der Niagara Gorge war ein schmaler
Einschnitt inmitten von Bäumen und Ackerland, während der Ontariosee in der Ferne wie poliertes Glas funkelte.
    Mit einem letzten gequälten metallischen Ächzen kippte die Schute ab, und kurz bevor sie unter ihm wegsackte, sprang Mercer mit aller Kraft vom Kranausleger weg, wobei er den Hilfsschirm über seinem Kopf in die Höhe schleuderte. Er, die Schute und die Wassermassen stürzten fast mit dem gleichen Tempo - doch der Druck auf seinem Magen machte Mercer klar, dass er schneller wurde. Er konnte nichts anderes tun als beten, während er vor den Wasserfällen in die Tiefe stürzte, wobei er bis auf die Haut durchnässt wurde. Aufgrund der Nebelschwaden vermochte er den Fluss oder die Felsen unter sich nicht zu sehen. Aber das war vielleicht auch ganz gut für ihn.
    Doch das Schicksal blieb nicht so gnädig. Plötzlich klarte der Nebel für einen kurzen Moment auf. Nun konnte er den tobenden Fluss doch unter sich erkennen, sah die unzähligen Felsen, die von den Wassermassen mitgerissen und in die Tiefe geschleudert worden waren, und er erkannte sogar das kleine Touristenboot namens Maid of the Mist. Gleichzeitig spürte Mercer, wie der Hauptfallschirm dank des Luftwiderstands des Hilfsschirms aus dem Sack gezerrt wurde. Aber die Fallhöhe reichte nicht aus.
    Mercer schloss die Augen.
    Und riss sie wieder auf, als sich der Hauptschirm entfaltete und dabei die Gurte so hart in seine Schrittbeuge zog, dass er sicher war, nun endgültig seine Hoden eingebüßt zu haben. Der Wind, der von den Wasserfällen erzeugt wurde, erfasste den Fallschirm und trug ihn über die gezackten Felsbrocken hinweg, während die Schute die letzten Meter im freien Fall zurücklegte. Der Kran wurde aus seiner Verankerung gerissen und streifte ihn beinahe, während er noch ein paar
Meter weiterglitt, ehe er in den Fluss stürzte. Tief tauchte er unter und spürte den ständigen Zug des Fallschirms, der ihn flussabwärts zerrte.
    Mercer kämpfte sich mit Händen und Füßen an die Wasseroberfläche. Seine Lungen standen dicht vor dem Kollaps, als er endlich wieder auftauchte und gierig einatmete. Er fand die Entriegelung des Fallschirmgeschirrs, betätigte sie und wurde augenblicklich von der störenden Last befreit. Wasser tretend konnte er sich an der Oberfläche halten.
    Die Maid of the Mist kreuzte über die Flussarme. Passagiere in blauen Regenmänteln standen an der Reling und brachen in lauten Jubel aus, als sie sahen, dass er den Sturz überlebt hatte. Ein paar Minuten später halfen ihm zwei Deckhelfer im Unterdeck, an Bord zu klettern.
    »Sind Sie lebensmüde oder was?«, fragte einer von ihnen.
    Da ihm dazu keine passende Antwort einfiel, rollte sich Mercer auf die Seite und übergab sich.

Arlington, Virginia
    Mercer lag ausgestreckt auf dem Ledersofa im Salon seines Hauses. Er trug die am weitesten geschnittene Trainingshose, die er hatte finden könnten, presste sich einen Beutel tiefgefrorener

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