Hawaii
Kurs auf Afrika ein großes Schiff unter vielen Segeln. Es schien gerade aus dem Sonnenuntergang heraufzusegeln, und die THETIS sandte Signale hinüber und ließ ein Rettungsboot herab, um das fremde Schiff zu begrüßen und die Post hinüberzubringen, die nach Boston sollte. Als das Ruderboot abstoßen sollte, rief Kapitän Janders, der am Heck stand: »Whipple! Vielleicht möchten die da drüben ein Gebet hören!« Und John sprang in das Boot. Alle an Bord der THETIS beobachteten, wie ihre Leute in den Sonnenuntergang hineinruderten. Jerusha wurde an Deck gebracht, und obwohl sie sich zu beherrschen versuchte, brach sie doch beim Anblick dieser seltsamen Begegnung zweier Schiffe unter den ersten Schatten der Nacht in Tränen aus. »Mein geliebter Gefährte« seufzte sie, »das ist das Schönste, was ich je gesehen habe. Sehen Sie nur, wie die untergehende Sonne auf dem Wasser ruht. Das Meer ist ihr Spiegel.«
Amanda, die in diesem schönen Augenblick nicht allein sein wollte, schloß sich den Hales an und flüsterte: »Ich konnte kaum den Anblick ertragen, als Bruder Whipple davonruderte. Es ist das erste Mal, daß wir voneinander getrennt sind. Er war immer mein lieber Gefährte und enger Freund. Wie glücklich können wir sein, daß wir die ersten Tage unserer Ehe so verbringen dürfen.«
Aber als das Ruderboot zur THETIS zurückkehrte und das große Schiff seinen Kurs fortsetzte und die Nacht über die stille See herabsank, sah Amanda, wie sich ihr Mann, der im Bug saß, auf die Lippen biß, während Kapitän Janders ihm gegenüber vor Wut schäumte. Sogar die Matrosen, die alle aus Neu-England stammten, schwiegen verbittert. Dann rief Kapitän Janders: »In solchen Augenblicken wünschte ich, daß mein Schiff bewaffnet wäre. Ich würde dem allmächtigen Gott danken, wenn wir dieses verdammte, faule Ding auf den Grund des Meeres hätten schicken können.« Mit einem Wutausbruch warf er den Missionaren die Handvoll Briefe vor die Füße. »Ich wollte Ihre Briefe nicht einem solchen Schiff anvertrauen. Einem Sklavenschiff.«
Später berichtete John Whipple den Missionaren: »Es war schrecklich. Sie hatten nicht einmal die Ketten im Schiffsrumpf befestigt, und man konnte hören, wie sie in der Dünung klirrten. Ein düsteres Schiff. Abner, würdest du bitte beten?« So beteten die Missionare in ihrer heißen Kajüte am ersten Abend nach der Überquerung des Äquators, und Abner sagte einfach: »Wo Dunkelheit ist, Herr, laß Licht erstrahlen. Wo Böses ist, ersetze es durch Gutes. Aber laß uns nicht nach fernem Übel forschen, sondern laß uns immer daran denken, daß wir vor allem für das Übel verantwortlich sind, das in uns selbst oder um uns her entsteht. Herr, hilf uns, daß wir keine Heuchler sind. Hilf uns, Dein Werk Tag für Tag zu tun.«
Er war so bewegt von der zufälligen Begegnung mit dem Sklavenschiff, daß er keinen Schlaf finden konnte und die Nacht an Deck verbrachte. Er blickte in Richtung Afrika und hoffte, daß sich Gott herablassen würde, ihm durch einen Feuerschein anzukündigen, daß das Sklavenschiff in die Luft geflogen sei. Gegen Morgen suchte ihn Keoki Kanakoa auf und sagte: »Herr Pastor. Sie beunruhigen sich so sehr über Afrika. Wissen Sie denn nicht, daß es auch auf Hawaii Sklaven gibt?«
»Wirklich?« fragte Abner überrascht.
»Auf der Insel meines Vaters gibt es viele Sklaven. Wir nennen sie faule Kadaver, und sie dürfen nichts berühren, was auch wir in die Hand nehmen. Sie sind kapu. Es ist noch nicht lange her, daß man sie zu Menschenopfern verwandte.«
»Erzähl mir mehr davon«, bat der bestürzte junge Geistliche, und während Keoki ihm die verschiedenen Rituale und Kapus erklärte, die die faulen Kadaver umgaben, spürte Abner, wie eine wilde Ungeduld in ihm aufstieg und ihm die Kehle zuschnürte. Noch ehe Keoki seinen Bericht abgeschlossen hatte, rief er: »Keoki, wenn ich nach Hawaii komme, wird es keine Sklaverei mehr geben.«
»Das wird nicht einfach sein«, warnte der mächtige Insulaner. »Keoki, Ihr werdet mit den faulen Kadavern essen.« Er sagte keinem der Missionare etwas von diesem Entschluß, nicht einmal Jerusha; aber als die Dämmerung heraufzog, wußte er in seinem Herzen, daß das grausame brasilianische Sklavenschiff ihm absichtlich am Äquator über den Weg geschickt worden war. »Es wird in Hawaii keine Sklaverei mehr geben«, schwor er, als die Sonne sich erhob.
Auf der langen, trübseligen Fahrt nach Kap Hoorn, auf der mehr als sechstausend
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