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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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vieler Tage keine andere bieten würde. Wie verlassen und schmutzig erschien die Kabine im Licht der schwankenden Öllampe! Die Latrine stank, und die Freunde mußten sich erneut übergeben. Keoki, der das Essen brachte, sagte: »Ich möchte das Abendgebet sprechen«, und in seinem volltönenden Hawaiisch pries er den offenen Ozean und erhob ihn über das feste Land; denn auf dem Ozean konnte man nicht umhin, Gott zu erfahren, während es auf dem Land viele Zerstreuungen gab. Deshalb, schloß Keoki, sei es besser, diese Nacht auf der THETIS zu verbringen als in Brava. Unter allen Zuhörern verstand nur Abner genügend Hawaiisch, um sich den Sinn dieser Botschaft zusammenzureimen, und er fand den Gedanken so glücklich, daß er das Gebet der Missionsfamilie übersetzte. Dann überraschte er alle, indem er aufstand und sein erstes Gebet auf Hawaiisch sprach. Sein Hawaiisch war zwar stockend, aber es war die ursprüngliche Sprache der Inseln, und es half, Gott mit dieser fremden Sprache vertraut zu machen, mit der seine Familie arbeiten sollte.
    Am fünfundvierzigsten Tag ihrer Reise, am Montag, dem 15. Oktober, überquerte die THETIS bei strahlendem Sonnenschein und spiegelglatter See den Äquator. Das erste Opfer war Pastor Hale. Da es ein heißer Tag war, bemerkte Kapitän Janders beiläufig mittags, daß seine Passagiere besser alte Kleider anzögen, und nicht zu viele. Als er befriedigt feststellte, daß niemand seinen besten Anzug trug, blickte er zu Keoki hinüber, der ein Zeichen nach oben gab.
    »Oh, Herr Pastor!« rief eine Stimme durch die Luke herab. »Cridland möchte Sie sprechen.«
    Abner eilte vom Tisch, faßte das Geländer an der Stiege, schwang sich die wenigen Stufen hinauf und war kaum ein paar Schritte gegangen, als auch schon ein Kübel Meerwasser von den Wanten über ihn ausgegossen wurde und er bis auf die Haut durchnäßt dastand. Er rang nach Atem, blickte sich erschreckt um und fühlte, wie sich seine Muskeln in nutzloser Wut zusammenzogen. Aber noch ehe er etwas sagen konnte, blinzelte Collins ihm zu und sagte: »Wir haben den Äquator überschritten! Rufen Sie Whipple!« Abner war noch so benommen von seinem Erlebnis, daß er ohne weiteres rief:
    »Bruder Whipple? Kannst du heraufkommen?«
    Man hörte ihn die Stiege heraufeilen, und dann sah man, wie Whipple direkt in einen Guß Meerwasser hineinlief. »Äquator!« lachte Abner. John wischte sich das Wasser vom Gesicht und blickte in die Wanten hinauf, wo zwei Matrosen in heller Begeisterung nach einem neuen Kübel langten. Whipple folgte einer Eingebung des Augenblicks und rief: »Walfische!« Sogleich stürmten einige Passagiere die Stiege herauf und bekamen ihre Taufe. Bald war das Deck vom Gelächter der Missionare erfüllt, und Kapitän Janders verkündete, daß die Mannschaft jetzt diejenigen Matrosen taufen würde, die noch nicht den Äquator überquert hätten. Aber als einer der beiden jungen Matrosen herauskam, die Whipple begossen hatten, um seine Ration aus Haferbrei, Lebertran, Seife und Schmalz in Empfang zu nehmen, rief John: »O nein! Den werde ich füttern!« Und zum Erstaunen aller sprang er mitten in das Getümmel, beschmierte sich völlig mit Schmalz und fütterte den lachenden Matrosen. Das löste ein großes Gelächter aus. Dann ließ der Kapitän unter seiner Mannschaft Rum verteilen, und die Missionare zogen sich feierlich zurück. Eine Stunde später erhielt Abner den klaren Beweis dafür, welche fürchterlichen Folgen scharfer Branntwein hatte, denn Keoki Kanakoa bat ihn, mit nach vorne in den Mannschaftsraum zu kommen, wo der alte Walfischfänger, der um die Bibel gebeten hatte, irgendwie zu sechs oder acht weiteren Rationen Rum gelangt war und nun unter wilden Flüchen seinen Kopf gegen das Schott schlug. Mit einiger Mühe brachte ihn Abner zu seiner filzigen Koje und versuchte ihn zu trösten. Als der Mann soweit ernüchtert war, daß er zusammenhängend reden konnte, fragte Abner: »Wo ist deine Bibel?«
    »In der Kiste«, antwortete der alte Walfischer zerknirscht.
    »In dieser?«
    »Ja.« Zimperlich öffnete Abner die Kiste, übersah den Schmutz und die Unordnung und zog die Bibel hervor.
    »Manche Menschen verdiene n nicht die Bibel«, sagte er streng und verließ den Raum.
    »Herr Pastor! Herr Pastor!« rief der Matrose. »Tun Sie das nicht! Bitte!« Aber Abner war schon auf dem Weg zum Achterdeck. Der merkwürdige Tag endete mit einem Schauspiel von unvergleichlicher Schönheit; denn von Westen kam mit

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