Hawaii
zu liegen und gegen das wilde Schlingern des Schiffes anzukämpfen.
Am 4. Dezember holte die THETIS weit nach Süden aus, so daß die Sonne kaum noch unterging und die Nacht nur noch ein aschfahler Dunst war, der tief über der aufgewühlten See hing. Als es schien, daß sie in einen günstigeren Wind kamen, der sie in die Antarktis tragen konnte, versuchte Kapitän Janders seinen nächsten Kniff. Er schlug kühn einen Kurs ein, der sie weit von der Insel fortführte, in deren Schutz die Seefahrer gewöhnlich das Kap umfuhren, und lenkte die winzige Brigg in die Drake-Passage, eins der schwierigsten Gewässer der Erde. Zunächst kamen sie schnell voran, aber gegen Morgen gerieten sie in einen Schnee- und Hagelsturm, der die THETIS erfaßte und so stark auf eine Seite warf, daß Wasser in die Kabine drang und die unteren Kojen überschwemmte. »Abner! Abner!« schrie die geschundene Jerusha vom Boden der Kabine und vergaß sogar seinen Titel. »Wir ertrinken.« Er antwortete ruhig, hob sie auf und legte sie in John Whipples obere Koje. »Nein, meine geliebte Gefährtin. Gott ist mit diesem Schiff. Er wird uns nicht aufgeben.« Das erschreckende Schlingern hielt an, begleitet von neuen Gießbächen, die durch eine zertrümmerte Wand weiter vorne im Schiff nach hinten drangen. »Das können wir nicht länger aushalten!« rief eine hysterische Frau. »Gott ist mit diesem Schiff«, beruhigte Abner sie. Während er bis zu den Knöcheln im Wasser stand und das Schluchzen derer ihn umgab, die glaubten, daß der Tod sie bald ereilte, betete Abner in der höllischen Dunkelheit mit starker Stimme und erinnerte die Missionare daran, daß sie sich auf diese Reise begeben hatten, um Gottes Werk zu tun, daß Gott die prüfe, die er sich erwählt habe, und daß deren Weg nie leicht und sicher sei. »Wir werden diesem Sturm entkommen und die lieblichen Täler von Hawaii sehen«, versicherte er. Dann ging er von Kabine zu Kabine und half das Gepäck wiederaufzuschichten, das durcheinandergefallen war. Niemand machte sich die Mühe, Essen zu servieren; als aber Kapitän Janders hereinblickte und sah, welche Arbeit Abner leistete, rief er in die Kombüse: »Bring diesen armen Leuten ein wenig Käse.« Abner fragte: »Fahren wir um das Kap?« Und Janders antwortete: »Noch nicht, aber wir werden noch herumkommen.« Gegen Abend stand es jedoch fest, daß die See nachts noch höher gehen würde, und so sagte er schließlich zu Collins: »Wir kehren um«, und abermals verloren sie in einer Stunde die ganze Wegstrecke, die sie in zwei Tagen zurückgelegt hatten.
Am 5. Dezember war die beschädigte und von Eis bedeckte THETIS wieder am Tor des Atlantik zu den Gewässern um das Kap und fand weder das Anzeichen eines Westwindes noch einen schwächeren Seegang. So kreuzte Kapitän Janders mit seinem Schiff vor und zurück und wartete. Um zehn Uhr abends sah es so aus, als sei die große Gelegenheit gekommen, denn der Wind schien sich zu drehen. Mit geblähten Segeln warf der Kapitän das Schiff gegen die Dünung, und während der beiden letzten Stunden dieses düsteren Tages kämpfte die THETIS verbissen und mit scheinbarem Erfolg gegen die Wogen an.
Am 6. Dezember brachte die Brigg sogar achtundvierzig Meilen gegen einen Schneesturm hinter sich. Sie trieb durch eine See mit so kurzen, heftigen Wellen, wie sie kein Missionar vorher erlebt hatte. Sie blieben zwar davon verschont, daß das Schiff plötzlich auf eine Seite geworfen wurde und alles in Entsetzen erstarrte, aber sie litten unter dem dauernden Auf und Ab des Schiffes im Seegang, bei dem selbst die unbelebten Gegenstände wie Kisten und Balken vor Schmerzen ächzten. Die Kälte wurde bei dem Schneetreiben und den Hagelschauern noch unerträglicher, und die Frauen, die unter den nassen Decken zitterten, dachten, daß der Tod zwei weiteren Wochen am Kap Hoorn vorzuziehen sei. Aber Bruder Whipple berichtete freudestrahlend, daß die Brigg endlich vorwärts kam.
Am Freitag, dem 7. Dezember, drehte der Wind unerwartet in seine alte Richtung. Das Meer wurde noch mehr auf gerührt, und wieder einmal lag die THETIS stark über. Diesmal kam sie dem Kentern gefährlich nahe. Schwere, fest verkeilte Kisten wurden losgerissen und türmten sich in den Kabinen. Die Balken stöhnten bedenklich, als wären sie am Ende ihrer Kräfte, und die kleine Brigg sank erschöpft in ein Wellental, aus dem sie, wie es schien, nicht wiederauftauchen sollte. »Oh, Gott! Laß mich sterben!« betete Jerusha, denn
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