Hawaii
Morgen war er sicher gewesen, daß der Hohepriester ihn zum toten Wächter des Kanus bestimmen würde. Er sagte fest: »Wenn der Hohepriester sich auch nur anschickt, auf Tamatoa zu weisen, müssen wir den König umringen und uns zu unserem Kanu durchschlagen.«
»Ich bin ganz deiner Meinung«, sagte Teroro rasch.
Ein langes Schweigen folgte, während dem die achtundzwanzig anderen Männer bedachten, was ein so kühner Schritt für Gefahren mit sich bringen würde. Aber noch ehe sich einer kleinmütig zurückziehen konnte, warf Teroro sein Seilende auf den Boden und fuhr rasch fort: »Um Erfolg zu haben, müssen wir uns vorher dreier Dinge versichern. Zunächst müssen wir irgendwie unser Kanu bis an den Rand des Wassers schaffen, damit wir es flottmachen können, ohne viel Zeit zu verlieren.«
»Ich werde das übernehmen«, versprach Hiro, der Steuermann. »Wie?«
»Ich weiß nicht.«
Teroro liebte die offene Antwort, trat aber dennoch dicht vor den Steuermann und flüsterte: »Weißt du auch, daß wir alle verloren sind, wenn das Kanu nicht bereitsteht?«
»Ich weiß«, sagte der junge Häuptling grimmig.
»Als nächstes«, sagte Teroro, »brauchen wir zwei festentschlossene Männer, die auf den Felsen am Ausgang des Tempels warten.« Der draufgängerische Mato rief: »Ich bin einer davon, und ich möchte, daß Pa der andere ist.«
Der hagere Mann mit dem Haifischgesicht, Pa, die Festung, trat vor und verkündete: »Ich bin der andere.«
»Ihr werdet nicht davonkommen«, warnte sie Teroro. »Wir werden davonkommen«, schwor Mato. »Die Männer von Havaiki haben nie... «
»Die dritte Bedingung ist«, unterbrach ihn Teroro ungeduldig, »daß alle übrigen bereit sind, auf der Stelle jeden zu töten, der sich auf Tamatoa stürzt.«
»Wir kennen die Schergen«, brummte Pa.
»Und wenn wir uns einmal in Bewegung gesetzt haben, dann müssen wir Tamatoa ergreifen und in einem Schwung ins Kanu schaffen.« Er hielt inne und fügte dann sanft hinzu: »Es klingt gefährlich, aber wenn wir einmal auf See sind, dann wird WARTET-AUF-DEN-WESTWIND unsere Rettung sein.«
»Sie werden uns nie einholen«, versicherte der Steuermann.
»Und wenn sie es täten, was könnten sie schon ausrichten?« prahlte Mato. Und während die Männer sich unterhielten, wurde es deutlich, daß sie sich danach sehnten, wieder in der Sicherheit des Kanus zu sein und nicht in Oros Tempel, wo alles fremd und feindlich war.
»Das soll das Zeichen sein«, sagte Teroro. »Ihr werdet mich beobachten, und im Augenblick, da ich zur Verteidigung des Königs eile, muß der Steuermann zum Kanu rennen, und ihr müßt sehen, daß er sicher durch den Ausgang kommt.«
»Wer wird die Scharfrichter entwaffnen?« fragte Mato. »Ich«, sagte Teroro kalt. Und um seine Leute anzufeuern, fügte er prahlend hinzu: »Keine Keule wird morgen meinem Arm zuvorkommen.« Die Männer nahmen diese Versicherung entgegen, aber Mato dämpfte ihre Kühnheit, als er einwarf: »Nur ein Fehler ist in dem Plan.«
»Welcher?« fragte Teroro.
»Gestern, ehe wir in See stachen, nahm mich Malama beiseite und sagte: >Mein Mann glaubt fest, daß der Hohepriester plant, den König umzubringen. Aber ich bin sicher, daß Teroro selbst das Opfer ist.< Ich denke, daß deine Frau recht hat. Und was soll geschehen, wenn es so ist?« Teroro konnte nichts antworten. Er stellte sich vor, wie sein geduldiges, bekümmertes Weib unter den Männern umherging und ihnen das Versprechen abforderte, ihn zu beschützen. Er blickte zu Boden, hob das Seilende wieder auf, mit dem er gespielt hatte, und steckte es in seinen Gürtel. Da sprach Pa, das Haifischgesicht: >Malama hat auch mich beiseite genommen. Unsere Aufgabe ist klar. Wenn sie den König opfern, dann geht alles so, wie es ausgemacht wurde. Wenn sie sich aber auf Teroro stürzen, dann wirst du, Mato, mit deinen Leuten den König retten, und ich eile mit den meinen Teroro zu Hilfe.«
»Ich bin nicht der, auf den es ankommt«, sagte Teroro offen. »Für uns bist du es«, antworteten die Männer und machten sich
an die Vorbereitung ihres Plans.
Aber in dieser Nacht war ein Geist am Werk, der klüger war als Mato oder Pa; es war der Geist des Hohepriesters. Während des feierlichsten Teils der Versammlung hatte er gegrübelt, und nachdem Oro wieder unter seinen Triumphbogen gestellt worden war, rief er seine Gehilfen zu sich. Sie setzten sich mit gekreuzten Beinen in einen schattigen Winkel des großen Tempels, während die Beine der
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