Hawaii
Großer Oro, Friedensbringer.«
Dieses Ereignis verwirrte Teroro, der darin ein Omen für den Verlauf dieses heiligen Tages sah. Aber er wußte nicht, wie er es auszulegen hatte, und vergaß in seiner Ratlosigkeit sogar einen Augenblick lang, über seinen Bruder zu wachen. »Was mag ein solches Omen nur bedeuten?« fragte er unermüdlich, fand aber keine Antwort. So atmete er tief und wandte sich wieder seiner Aufgabe zu. Als er dann über das Tempelrund hinwegsah, um die Stellung Hiros, seines Steuermanns zu prüfen, stieß er auf ein zweites Omen, dessen Sinn ihm dunkel blieb. Der jetzige Steuermann saß direkt unter dem baumelnden Leichnam seines Vorgängers, der durch eine Laune des Hohepriesters hingestreckt worden war. Schwer lastete der aufgedunsene und unter der tropischen Sonne schon in Verwesung begriffene Leib des Toten über Teroros Gefolgsmann.
In völliger Ratlosigkeit schlug sich Teroro alle Omen aus dem Sinn und beobachtete zuerst den Hohepriester, dann den König. Er war fest entschlossen, Oro Trotz zu bieten, selbst wenn es im Bereich der unumschränkten Herrschaft dieses Gottes geschehen mußte. Aber er war nicht vorbereitet auf die Strategie des Hohepriesters. Denn während Teroro mit einer gänzlich anderen Entwicklung rechnete, wirbelte der Hohepriester plötzlich seinen Stab und deutete auf einen der unschuldigsten Gefolgsleute Teroros, einen seiner besten Krieger.
»Er hat von dem geweihten Schwein Oros gegessen!« rief der
Ankläger, aber der junge Häuptling wußte nicht, warum er starb, denn der grausame Henker war der Anklage zuvorgekommen und hatte den Schädel des Kriegers schon zertrümmert.
Die Priester der anderen Inseln, die dankbar waren, daß Oro vor aller Abtrünnigkeit bewahrt wurde, sangen: »Allmächtig ist Oro, der Friedensbringer, Oro, der Herr der vereinigten Inseln.«
Während sie sangen, saß Teroro wie betäubt. Der junge Häuptling war sein auserwählter Freund gewesen, ein anspruchsloser Krieger, der nie von dem geweihten Schwein gegessen hätte. Warum mußte er geopfert werden? Teroro konnte sich nicht auf das Problem konzentrieren. Er hatte sich einen Plan ausgedacht, um König Tamatoa zu schützen, und er wußte, daß, wenn er bedroht würde, Mato ihn retten würde. Aber er hatte nicht mit dem Angriff des Hohepriesters auf die unbedeutenderen Einwohner Bora Boras gerechnet.
Erschreckt blickte Teroro zu seinem Steuermann hinüber, und der erwiderte seinen Blick mit nicht geringerer Bestürzung. Keine Antwort war von dort zu erhalten. So versuchte Teroro die Blicke Matos und Pas am Ausgang zu erhaschen. Aber die sahen gebannt auf den Altar, wo jetzt der Leichnam ihres Genossen lag. Die anderen Mitglieder von Teroros Mannschaft waren ebenso verblüfft, und so starrte er mit steigender Beunruhigung auf die schwarzglänzenden Felsen des Versammlungsortes vor sich hin. Nur ein einziger aus der Abordnung Bora Boras sah klar in diesen furchtbaren Augenblicken. Tamatoa besaß wie viele andere siegreiche Könige weniger einen scharfen Verstand als eine mächtige, untrügliche Einsicht. Und er erkannte, daß der Hohepriester nicht entschlossen war, Tamatoa und seinen Bruder zu ermorden, sondern daß er sie durch einen beständig auf sie ausgeübten Druck schließlich von ihrer Insel vertreiben wollte. Er wird jede offene Kampfansage vermeiden, dachte der König. Es wird keine Schlacht geben. Geduldig und mit Schlauheit wird er mir mein Volk verhetzen und in Furcht halten. Und wir werden gehen müssen. Tamatoa wurde in seiner Analyse bestärkt, als der Hohepriester abermals seinen Stab durch die Luft wirbelte und den Tod eines weiteren Gefolgsmannes Teroros bestimmte. Wieder sauste die Todeskeule nieder. Mit wehem Herzen blickte der König auf seinen Bruder und sah, wie verwirrt und ratlos Teroro war. Der Arme, dachte er, wahrscheinlich hatte er einen grandiosen Plan, um mein Leben zu retten, und wahrscheinlich hat der Hohepriester durch seine Spione alles entdeckt.
In seinem Mitleid behielt der König seinen Bruder starr im Auge, bis dieser betäubt aufsah. Fast unmerklich schüttelte der Ältere seinen Kopf und warnte seinen Bruder, auf keinen Fall zu handeln. Teroro verstand die Botschaft und rührte sich nicht.
In diesem Augenblick, da der Tempel Oros mit den Leichen seiner besten Männer übersät war, flüsterte der König in seinem Herzen: »Oro, du hast triumphiert. Du bist der allmächtige Gott, und ich vermag nicht, dir zu widerstehen.« Nach diesem
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