Hawaii
innerer Tempel errichtet worden, in ihm stand der Triumphbogen, der das Allerheiligste, die höchste Statue Oros beherbergte.
Die Enthüllung dieses ersten Gottes, dieser heiligsten Gestalt Oros, war ein so feierlicher Akt, daß weder Könige noch ihre Brüder ihm folgen durften. So waren sie von der ersten heiligen Versammlung, in der Oro aus seinem Triumphbogen herausgenommen wurde, ausgeschlossen. Dennoch gab es Zeugen. Die fünf Menschenopfer aus jedem der Kanus waren zusammen mit denen von Havaiki im Tempel zu Oros Beifall aufgestapelt worden. Als Oro durch den höchsten Priester seine Billigung bekundet hatte - der Mensch in diesem Priester dachte: Wie eindrucksvoll ist es, so viele Leichen beieinander zu sehen. Es zeigt wenigstens, daß die Inseln beginnen, ihre Liebe für Oro darzutun - traten untergeordnete Priester vor und begannen ihr feierliches Ritual.
Mit langen Knochennadeln, durch die starke Bastfäden gezogen waren, stachen sie in das linke Trommelfell eines jeden Leichnams, durchstießen das Gehirn, und zerrten dann den Faden durch das rechte Ohr. Dann machten sie eine Schlinge und hingen jeden der sechzig Leiber an einen der Bäume, die den Tempelplatz umstanden. Und während der nächsten Stunden konnten diese geopferten Männer mit ihren erloschenen Augen verfolgen, was selbst den Königen verborgen blieb.
Tamatoa mußte mit den anderen Königen während sieben Stunden abseits sitzen - und zwar in völligem Schweigen. Spione überwachten sie und merkten sich jeden, der es an Ehrerbietung für Oro fehlen ließ. Das war allerdings nicht nötig, denn die zwölf Könige sahen ein, daß ihre Erhabenheit nur aus einer jenseitigen heiligen Quelle stammen konnte und daß die Fülle ihrer göttlichen Herrlichkeit einer steten Erneuerung durch Gebet und Opfer bedurfte. Die ganze Welt neigte sich in erschrecktem Schweigen, als diese Herrlichkeit sowohl in die Inselgötterbilder als auch in die Inselkönige überfloß. Aber in den unteren Regionen des Tempels herrschte kein völliges Schweigen, und hätten Spione diese Tatsache beobachtet, so wären diejenigen, die heimlich das Tabu verletzten, auf der Stelle geopfert worden. Aber Teroro sah sich vor und hatte für seine verschwiegene Zusammenkunft mit den restlichen neunundzwanzig Mann seiner Besatzung eine entlegene Lichtung gewählt, die von Palmen umgeben war. »Sind wir bereit, frei zu reden?« fragte er.
»Welche Gefahr laufen wir denn?« fragte ein feuriger junger Häuptling, welcher Mato hieß. »Wenn wir reden, töten sie uns. Wenn wir schweigen...» Er schlug sich mit der Faust in die Hand. »Laßt uns reden.«
»Warum müssen so viele unserer Männer Oro anheimfallen?« fragte ein anderer.
Teroro hörte sich die Klagen an und sprach: »Ich konnte es wagen, euch hier zusammenzurufen, weil es ohnehin gleichgültig ist, ob sich ein Spion unter euch befindet oder nicht.« Er blickte jeden seiner Leute an und fuhr fort: »Wenn einer von euch ein Spion ist, so soll er hingehen und den Hohepriester benachrichtigen, denn dann wird er vor der Ausführung dessen zurückschrecken, was er sich, wie ich glaube, vorgenommen hat. Wenn uns niemand verrät, sind wir noch besser dran.«
»Was ist dein Plan?« fragte Mato, der aus dem Norden von Bora Bora stammte.
Teroro hielt ein Stück Tau in der Hand, das er aufdrehte und wieder zusammenflocht. Dann sagte er langsam: »Ich glaube, der Hohepriester beabsichtigt, unseren König Oro als höchstes Opfer darzubringen. Er möchte den anderen Priestern mit seiner Machtstellung in Bora Bora Eindruck machen. Aber er muß dazu selbst das Zeichen geben, denn wenn er ihn heimlich umbrächte, würde er sich selbst um den politischen Gewinn bringen. Wir müssen also den Hohepriester unentwegt im Auge behalten.« Die jungen Häuptlinge lauschten schweigend. Was immer Teroro als seinen Plan enthüllen mochte, so war die größte Gefahr damit verbunden. Da bemerkte ein weniger edler Krieger: »Heute sind wir wenigstens sicher.«
»Das ist richtig«, gab Teroro zu. »Sie sind beschäftigt, heute.« Und er wies auf den abscheulichen Kranz von toten Männern, die rings an den Ästen baumelten.
»Aber was wird morgen auf der allgemeinen Versammlung geschehen?« Teroro drehte an seinem Seilende und nickte gedankenvoll: »Wenn ich der Hohepriester wäre«, sagte er, »und seine Pläne hätte, würde ich morgen losschlagen.«
Mato war in einer übermütigen Stimmung, denn während eines fürchterlichen Augenblicks an diesem
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