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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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getöteten Männer über ihnen in der Nachtluft baumelten.
    »Habt ihr heute irgend etwas bemerkt?« begann er.
    »Nur, daß Ihr recht habt«, berichtete ein junger Priester. »Teroro ist unser Todfeind.«
    »Was veranlaßt dich zu dieser Äußerung?«
    »Wie Ihr befohlen hattet, beobachtete ich ihn unentwegt. Vier verschiedene Male ertappte ich ihn dabei, daß er sich gegen den Willen Oros, den Schrecklichen, auflehnte.«
    »Wann?«
    »Vor allem, als der Höfling des Königs erschlagen wurde. Er zog sich merklich zurück.«
    »Auch mir schien es so«, bestätigte der Hohepriester.
    »Und als einer aus seiner Mannschaft getötet wurde, um das Kanu zu bewachen.«
    »Wirklich?«
    »Und mir schien, daß, als es für Teroro an der Zeit war, den König vom Tempel fortzuführen, während wir eintraten, er das eher freudig als mit betrübtem Sinn tat.«
    »Das haben wir auch gedacht«, stimmten mehrere Priester zu.
    »Aber was meine Meinung bestärkte, ist, daß er heute nachmittag eine Art Zusammenkunft mit seinen Kriegern gehabt haben muß.«
    »Stimmt das?« schnappte der Hohepriester.
    »Ich bin nicht sicher, weil ich ihn, wie Ihr versteht, aus den Augen lassen mußte, als wir in den Tempel traten. Aber sogleich, als Oro in seine Wohnung zurückgekehrt war, schlich ich mich hinaus und suchte nach unseren Leuten.«
    »Was fandest du?«
    »Nichts. Sie waren verschwunden.«
    »Wie ist das möglich?« wollte der Hohepriester wissen.
    »Ich weiß nicht. Aber sie waren verschwunden.«
    »War der König dabei?«
    »Nein«, berichtete der Spion. »Der saß, wie es sich geziemt, bei den anderen Königen.«
    »Können wir sicher sein, daß Teroro eine Zusammenkunft abgehalten hat? Wenn wir sicher wären..«
    »Ich suchte überall«, beharrte der junge Spion, »und ich bin in meinem Herzen davon überzeugt.«
    Eine lange Zeit bedachte der Hohepriester diese unwillkommene Nachricht, spielte mit seinem Stab und stieß ihn in die Erde. Schließlich überlegte er:
    »Wenn wir sicher wären, daß eine Zusammenkunft abgehalten wurde, könnten wir das ganze Kanu vertilgen. Wir könnten...« Aber als er alle Folgen erwogen hatte, entschied er sich offensichtlich gegen den Plan; denn plötzlich wandte er sich zu seinem grobschlächtigen Scharfrichter und sagte sanft: »Ich möchte, daß du dich morgen weder in der Nähe des Königs noch bei Teroro aufhältst. Bleibe die ganze Zeit im Hintergrund. Und du, Rereao«, wandte er sich an seinen Spion, »schwingst du die Keule noch so schnell wie früher?«
    »Ja.«
    »Du stellst dich unauffällig so hinter Teroro, daß du ihn auf ein Zeichen sofort erschlagen kannst. Du beobachtest ihn die ganze Zeit. Wenn er die geringste Bewegung macht. Wenn er... «
    »Soll ich erst auf Euer Signal warten?« fragte Rereao.
    »Nein. Aber wenn du zuschlägst, werde ich auf ihn deuten, und sein Leib wird Oro geweiht sein.«
    Der Hohepriester fuhr fort und besprach, wie sich die übrigen verhalten sollten, aber er wandte sich bald wieder Rereao zu und fragte: »Verstehst du? Warte nicht auf mein Zeichen. Du tötest ihn, wenn er sich rührt.«
    »Ich verstehe.«
    Der Hohepriester beschloß seine Versammlung mit einem langen Gebet zu Oro. Dann sagte er feierlich: »Was auch immer geschehe, morgen wird Bora Bora endgültig Oro übergeben werden. Die alten Götter sind tot. Oro lebt.« Seine Priestergehilfen atmeten laut vor Aufregung. Ihre Anstrengung, den neuen Gott über Tane und Ta'aroa aufzurichten, war nicht einfach gewesen, und schon seit Monaten hatten sie sich nach einer Staatsaktion gesehnt, die ihnen bewies, daß sie gewonnen hatten. Ihr Führer, der ihr Verlangen nach einem großen Schauspiel kannte, beschwichtigte sie: »Es führen viele Wege zu dem letzten Sieg, meine Brüder. Oro hat viele Pfade, auf denen er zum Triumph gelangen kann. Morgen wird er auf einem von ihnen die Eroberung Bora Boras erreichen, aber ihr dürft nicht fragen, auf welchem. Das liegt bei Oro.«
    Bei diesen Worten faltete der Hohepriester seine Hände, nahm sein Käppchen vom Kopf und beugte sich vor dem inneren Heiligtum Oros. Die Gehilfen folgten seinem Beispiel, und in der tiefen schweigenden Nacht, die nur von fernen Lagerfeuern und dem Glanz der Sterne erleuchtet wurde, beteten sie zu ihrem allmächtigen Gott. Es war ein feierlicher Augenblick am Ende eines aufregenden Tages, ein süßer, bedeutungsvoller Augenblick. Der Geist der Unsterblichkeit schwebte über den knienden Männern und über den Opfern, Oro brütete über

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