Hawaii
brachte. Sie setzte zwei Finger in die Winkel ihrer lieblichen Augen, zog sie nach oben und sagte: »Meine Mutter ist Japanerin.« Dann zog sie sie weit nach unten und wimmerte: »Und mein Vater ist Chinese.« Schließlich setzte sie die Zeigefinger unter den Brauen, die Daumen unter den Augen an, sperrte sie dadurch weit auf und rief: »Aber ich bin eine waschechte Amerikanerin.« Als Kamejiro zum erstenmal dieses Spiel sah, zankte er mit seiner Tochter und hielt ihr vor: »Es gibt in deinem Leben keinen größeren Stolz, als eine Japanerin zu sein. Mach dich nie darüber lustig.« Aber gleichzeitig erkannte er auch wie von ungefähr, daß sich seine Familie mit der Ankunft der Kinder in Wertordnungen verstrickt hatte, die unvereinbar waren und sich gegenseitig ausschlossen: Er schickte seine Sprößlinge auf amerikanische Schulen, damit sie im amerikanischen Leben Erfolg hatten; aber gleichzeitig ließ er sie auf die japanische Schule gehen, damit sie vorbereitet waren, wenn sie nach Japan zurückkehrten. Die Kinder spürten diesen Widerspruch, und eines Tages ging Goro nach dem Schluß des amerikanischen Unterrichts nicht zu dem japanischen Lehrer, sondern kehrte direkt nach Hause zurück. Don begegnete ihm Kamejiro und fragte: »Warum bist du schon zu Hause?«
»Ich werde nicht mehr in die japanische Schule gehen.« Kamejiro beherrschte sich und fragte ungeduldig: »Warum nicht?«
»Ich möchte kein Japaner sein. Ich möchte ein Amerikaner sein.« Eine Weile preßte Kamejiro seine Hände an seine Seiten, um sich in die Gewalt zu bekommen, aber dann konnte er sich nicht länger halten. Er packte seinen ältesten Sohn, hob ihn hoch, schwang ihn unter einen Arm und rannte zu dem Tempel. Dort verbeugte er sich vor dem Priester und warf seinen Sohn unter die Schüler. »Er sagt, daß er kein Japaner sein will!« stammelte er zitternd vor Wut. Dann verbeugte er sich und ging. Langsam griff der hagere Priester nach dem Stock. Langsam schritt er mit nackten Füßen auf Goro zu, der noch immer auf dem Boden lag, und begann, den Jungen erbarmungslos zu verprügeln. Als er fertig war, kehrte er zu seinem Katheder zurück, setzte sich bedächtig auf den Boden und rief: »Sakagawa Goro, was sind die ersten Regeln des Lebens?«
»Liebe zum Vaterland. Liebe zum Kaiser. Achtung vor den Eltern.« Schon an ihren Namen erfuhren die japanischen Kinder unentwegt den Zug nach zwei Seiten. An der amerikanischen Schule hieß es Goro Sakagawa; an der japanischen Sakagawa Goro. Als die Strafpredigt vorüber war, wartete Goro auf eine Gelegenheit und flüsterte seinem Bruder Tadao ins Ohr: »Ich werde nie nach Japan zurückkehren.«
»Wer hat eben gesprochen?« rief der Priester scharf. »Ich«, antwortete Goro. Für ihn wäre eine Lüge unausdenkbar gewesen. »Was hast du gesagt?«
»Ich habe gesagt, wenn ich erwachsen bin, werde ich nie nach Japan zurückkehren.«
Drohend langte der Priester abermals nach seinem Stock, und diesmal dauerten die Prügel länger und waren härter. Als er zu Ende war, fragte er: »Willst du jetzt nach Japan zurückkehren?«
»Nein«, antwortete Goro trotzig.
An diesem Abend erklärte der Priester Kamejiro: »Wir können einen Jungen wie ihn nicht auf der Schule dulden. Ihm fehlt die Aufrichtigkeit.«
»Er wird am Montag zurückkommen«, sagte Kamejiro unterwürfig und verbeugte sich vor seinem Oberen. »Glaubt
mir, Sensei, er wird zurückkommen.«
Es war Mittwoch abend, und der geschundene Goro wollte zu Bett gehen. Aber sein Vater hielt ihn sanft am Arm fest und sagte ruhig: »O nein! Du wirst heute nacht nicht schlafen.«
»Aber ich muß morgen früh zur Schule«, bat Goro.
»Nein. Für dich gibt es keine Schule mehr. Heute beginnst du mit mir zu arbeiten.« Kamejiro ließ dem Jungen warme Sachen anziehen und nahm ihn an diesem Abend auf seiner Runde durch die Stadt mit, um mit ihm die Abtritte zu säubern. Goro war angewidert von der Arbeit, die sein Vater besorgte. Er schämte sich, wenn die herumlungernden Trunkenbolde sich über sie lustig machten, und ihn peinigte der Gestank. Aber der O-beinige kleine Kamejiro sagte nichts. Er ließ seinen Sohn nicht von seiner Seite, erledigte seine Arbeit, und in der Morgendämmerung nahmen die beiden Nachtbummler ihr Warmbad, während die anderen Kinder zur Schule gingen.
Donnerstag, Freitag und Samstag nacht reinigte der junge Goro weiter die Abtritte, bis er sich so elend fühlte, daß er sich kaum noch an der Seite seines Vaters zu halten
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