Hawaii
vermochte. Als am Morgen des Sonntags die Sonne strahlend über dem Diamond Head aufging, sagte Kamejiro zu seinem Sohn: »So müssen Männer arbeiten, die nicht studiert haben. Bist du bereit, dich beim Priester zu entschuldigen?«
»Ja.«
»Und willst du dir Mühe geben - in beiden Schulen?«
»Ja.«
Am Montagnachmittag brachte Kamejiro seinen Sohn Goro in den Tempel zurück und blieb in der Türe stehen, während sein Sohn vor der ganzen Klasse verkündete: »Ich bitte ganz Japan um Verzeihung für das, was ich am Mittwoch gesagt habe. Ich entschuldige mich bei Euch, Sensei, für mein schlechtes Benehmen. Ich entschuldige mich bei dir, Vater, daß ich ein so undankbarer Sohn war.«
»Bist du jetzt bereit, nach Japan zurückzukehren?« fragte der Priester.
»Ja, Sensei.«
»Dann setz dich, damit wir in unseren Übungen fortfahren können.« Nach dieser Erfahrung gab es keine weiteren Störungen unter den Kindern der Familie Sakagawa.
Eine Seite in der Erziehung seiner Kinder konnte Kamejiro niemandem übertragen. Jedesmal, wenn er seine Familie auf einen Spaziergang durch Kakaako mitnahm, hielt er aufmerksam Ausschau. Von Zeit zu Zeit umschloß er mit der rechten Hand sein linkes Handgelenk, und die Kinder wußten Bescheid. »Ist das eine?« flüsterten die Jungen. »Das ist eine«, antwortete Kamejiro mit rauher, beunruhigter Stimme, und auf diese Weise lernten die Sakagawas, woran man einen Eta erkannte, diese Unberührbaren, die auch nach Hawaii einwanderten. Sakagawas Frau unterrichtete Reikochan über das schlimmste Unheil, das einem Mädchen widerfahren konnte: »In Kakaako wohnte ein Mädchen namens Itagaki, und die heiratete, ohne es zu wissen, einen Eta. Ihre Familie mußte in Schande auf eine andere Insel ziehen.«
Eine selbstbewußte Familie kannte die Mittel, durch die sie sich vor Etas schützen konnte, und Kamejiro sagte oft zu seinen Kindern: »Wenn für euch die Zeit kommt, zu heiraten, werde ich zu einem Detektiv gehen, und der wird mir sagen, ob die andere Partei Eta ist oder eine Familie aus Okinawa.« Es gab zwei solche Detektive in Hawaii, und da sie sorgfältig über jede Familie Buch führten, blieben ihnen nur wenige Etas und Okinawa-Familien unbekannt. Ihre Dienste waren teuer, aber da sie die zukünftigen Eheleute vor der Schande einer Fehlheirat bewahrten, war die Bevölkerung bereit, die Kosten zu tragen.
Als Reikochan sich dem Alter näherte, da sie auf eine höhere Schule mußte, wandte sich die Aufmerksamkeit ihres Vaters von den Etas ab und dringenderen Aufgaben zu. Die Haole-Bürger, die von dem abscheulichen Englisch beunruhigt waren, das in ihren Schulen gesprochen wurde, taten sich zusammen und forderten mindestens eine Schule auf jeder Insel, in der ihre Kinder annehmbares Englisch lernten. Aus dieser Bewegung entwickelte sich die sogenannte Englische Normalschule. Um Aufnahme in diese Schule zu erlangen, wurde das Kind einer Sprachprüfung unterzogen, in der sich erweisen sollte, daß es nicht durch Pidgin verdorben war und auch nicht Klassenkameraden damit anstecken konnte, die einmal auf Universitäten des Festlands geschickt werden sollten.
Der Grundsatz der Englischen Normalschule war verdienstlich, denn in anderen Schulen schien es oft überhaupt keine Norm zu geben, und sogar die Lehrer unterrichteten zuweilen auf Pidgin. Aber die Art, wie die Schüler für diese ausgezeichneten Schulen ausgewählt wurden, gehörte zu den größten Schändlichkeiten, die sich je auf den Inseln zugetragen hatten. Die Plantagenbesitzer ließen sich sehr bald vernehmen, daß sie jeden Lehrer mit Mißgunst betrachten würden, der in die bevorzugten Schulen allzu viele Kinder mit asiatischen Vorfahren aufnahm. So verwandelten sich die Schulen unversehens in kostspielige Privatschulen, deren bessere Ausrüstung zwar von den allgemeinen Steuern bezahlt wurde, die aber vor allem den Kindern der Weißen vorbehalten blieben. Diese Bevorzugung ließ sich leicht durchführen, denn jeder Lehrer, der einen Bewerber prüfte, war verpflichtet, alle die Kinder auszuschließen, die sich auch nur den leisesten Akzent oder ein einziges falsches Wort zuschulden kommen ließen. Es war das reinste Possenspiel, bei dem die Lehrer, die unter der Oberaufsicht der Plantagenbesitzer standen, zwar Japaner und Filipinos prüften, aber deren Versagen schon bescheinigt hatten, ehe diese nur ein Wort sagen konnten. Natürlich wurden ein paar Söhne von asiatischen Ärzten und Rechtsanwälten zugelassen, schon
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