Hawaii
Sie war ferner von Freunden, die wiederum andere Leute aus Hawaii gekannt hatten, gewarnt worden, daß die Inseln von
Leuten aus Hiroschimaken bevölkert wurden, die einen ausgeprägten Familiensinn hatten und keineswegs sehr zeitgemäß waren.
Ein keckes Mädchen aus Tokyo hatte ihr zugeflüstert: »Ich war in Hawaii. Im ganzen Viertel keine Moderniste.« Akemi machte sich keine Illusionen über ihr neues Heim, aber dennoch war sie nicht auf das gefaßt, was ihr bevorstand.
Am Hafen wurde sie von Sakagawa und seinem Schwiegersohn Ischii begrüßt, deren Frauen unbeweglich hinter den kleinen Männern standen. Akemi dachte: So sahen die Familien in Japan vor dreißig Jahren aus. Sie faßte jedoch sogleich eine Sympathie zu dem kleinen untersetzten Sakagawasan, dessen Arme so ungelenk abstanden. Als sie ihn betrachtete, mußte sie denken: Er ist mein Vater. Aber dann erblickte sie die eisigen Gesichtszüge von Sakagawas Frau, dieser unbeugsamen und konservativen Frau. Sie zitterte und dachte: Sie ist zum Fürchten. Gegen ihre Art haben wir in Tokyo gekämpft.
Sie hatte recht. Sakagawas Frau gab nie nach. So sanft sie zu ihrem Mann war, für ihre Schwiegertochter war sie ein Schreckgespenst. Wenn früher in Hiroschima der Sohn eine Frau nach Hause brachte, damit sie in den Reisfeldern arbeitete, so gehörte es zu den Obliegenheiten der Mutter, das Mädchen mit der Peitsche in den Pflichten einer guten Hausfrau zu unterweisen, und Frau Sakagawa war dazu bereit. Als sie Akemi an der Reling des Schiffes entdeckte, wußte sie sogleich, daß ihr Sohn eine schlechte Wahl getroffen hatte, und sie flüsterte ihrer Tochter Reiko verächtlich zu: »Sie sieht wie ein Stadtmädchen aus, und du weißt ja, was für kostspielige Gewohnheiten die haben.«
Wenn Goro eine gut bezahlte Stellung gehabt hätte, die es ihm erlaubt hätte, eine eigene Wohnung zu nehmen, dann wäre es vielleicht bei einer gegenseitigen, schwelenden Abneigung geblieben. Die Frauen hätten sich so wenig als möglich gesehen und wären dann mit Rücksicht auf Goro geflissentlich höflich gewesen. Aber das war nicht möglich, denn Goros kleines Gehalt bei der Gewerkschaft zwang ihn, bei den Eltern zu bleiben! Gleich als Frau Sakagawa mit der Unterweisung Akemis begann, hatte sie den Grundsatz festgelegt: »Als ich nach Hawaii kam, war das Leben hier sehr schwer, und ich sehe nicht ein, warum du verwöhnt werden sollst.«
»Erwartet sie von mir, daß ich jeden Nachmittag vor die Stadt hinausgehe und ein paar Zuckerrohrfelder hacke?« fragte Akemi Goro eines Abends. Mit der Zeit wurde ihm die Rückkehr nach Hause verleidet, denn jede der Frauen pflegte ihn abwechselnd beiseite zu nehmen und auf die Fehler der anderen aufmerksam zu machen. So nahmen die Streitereien kein Ende. Was Akemi am meisten ärgerte, war nur eine Kleinigkeit; aber sie wurde so oft darauf gestoßen, daß schließlich ihr Glück mit Goro davon beeinträchtigt wurde. Die Sakagawas hatten schon in Hiroschima nicht das beste Japanisch gesprochen, und der lange Aufenthalt in Hawaii hatte ihre Sprache regelrecht verdorben. Sie gebrauchten jetzt viele hawaiische, chinesische, amerikanische und philippinische Wörter und gaben ihren Sätzen einen schwingenden Klang, den sie dem Mexikanischen entlehnt hatten. Vieles von dem, was sie sagten, war Akemi unverständlich. Aber sie schwieg und wäre höflich genug gewesen, den Sakagawas gegenüber nie ein Wort darüber zu verlieren, denn sie fand - wie sie einmal zu einer anderen Kriegsbraut auf dem Markt sagte - >diese schreckliche Sprache ganz lustige. Und die beiden jungen Frauen hatten herzlich gelacht.
Die Sakagawas waren nicht so rücksichtsvoll. Akemis präzises Japanisch mit den sorgfältig abgewogenen Betonungen machte sie wütend. »Sie glaubt wohl, sie sei was Besseres als wir«, hielt Frau Sakagawa eines Abends Goro vor. »Spricht immer, als hätte sie den Mund voll Bohnen, auf die sie nicht beißen will.« Oft, wenn die Familie beim Abendessen versammelt war und Akemi irgendeine beiläufige Bemerkung machte, dann wiederholte Sakagawas Frau ein oder zwei Worte in der barbarischen Sprache Hawaiis. Die ganze Tischrunde lachte, und Akemi errötete.
Ihr wurde es zur Gewohnheit, auf dem Markt zu warten, bis eine andere Kriegsbraut kam, und dann unterhielten sich die beiden - hungrig wie Flüchtlinge auf fremdem Boden - in dem gewähltesten Japanisch, ohne fürchten zu müssen, daß man sich über sie lustig machte. »Es ist wie in Japan vor
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