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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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hundert Jahren«, sagte Akemi eines Tages verbittert. Dann brach sie in Tränen aus, und als die andere Frau ihr einen Spiegel reichte, damit sie die Tränen fortwischen und sich wieder zurechtmachen konnte, betrachtete sie sich lange und sagte: »Fumiko, kannst du dir vorstellen, daß ich einmal die Führerin der Modernistes war? Ich liebe Bruckner und Brahms. Ich kämpfte für die Rechte der japanischen Frau. Jetzt bin ich in einem schlimmeren Gefängnis, als es je eines für diese Frauen gab. Und weißt du, warum es schlimmer ist? Weil alles so furchtbar häßlich ist. Häßliche Häuser, häßliche Worte, häßliche Gedanken. Fumiko, ich war seit einem Jahr weder in einem Konzert noch in einem Theaterstück. Niemand, den ich hier kenne, abgesehen von dir, hat je von Andre Gide gehört. Ich glaube, wir haben einen großen Fehler begangen.« Später, als sie allein bei den Sakagawas war, dachte sie: Ich lebe für die wenigen Minuten, in denen ich mich mit einem vernünftigen Wesen unterhalten kann. Aber jedesmal, wenn ich es tue, bin ich noch trostloser als zuvor.
    Eines Abends sagte sie entschlossen: »Goro, heute abend ist ein Konzert, und ich möchte gerne mit dir hingehen.« Verlegen gingen sie hin, aber Akemi konnte sich über die Musik nicht freuen, weil sich Goro neben ihr unbehaglich fühlte und das gesamte Publikum, abgesehen von einigen Studenten, nur aus Haoles bestand. »Gehen die Japaner hier nie in Konzerte oder Theaterstücke?« fragte sie. Aber er hielt das nur für den Anfang einer neuen Jammertirade und brummte: »Wir haben anderes zu tun.«
    »Zu welchem Zweck?« erwiderte sie rasch, und er sagte nichts. Als Akemi das nächste Mal Fumiko auf dem Markt traf, fragte sie: »Wofür arbeiten sie nur dauernd? In Japan arbeiten die Männer und Frauen mit aller Kraft, um sich Karten für ein Theaterstück oder eine schöne Keramik zu kaufen. Wofür arbeiten sie hier? Ich will es dir sagen. Damit sie sich ein großes, schwarzes Automobil kaufen können. Dann setzen sie ihre alte Mamasan hinein, fahren mit ihr in Honolulu herum und sagen: ¡Jetzt bin ich so gut wie ein Haole.< Ich schäme mich jedesmal, wenn ich einen japanischen Arzt oder Rechtsanwalt in seinem großen schwarzen Wagen sehe.«
    »Das tue ich auch«, gestand Fumiko. »Wenn man denkt, daß sie für diese neuen Werte alles Japanische preisgegeben haben.«
    Die Dinge besserten sich ein wenig, als Shigeo mit seinem juristischen Doktortitel aus Harvard zurückkehrte, denn nun hatte Akemi einen intelligenten Menschen, mit dem sie sich unterhalten konnte. Sie pflegten lange Unterhaltungen über Politik und Kunst. Akemi war erstaunt, als sie hörte, daß Shig die Museen in Boston besucht hatte. Aber er erklärte offen: »Aus eigenem Antrieb wäre ich niemals hingegangen. Ich wohnte jedoch bei Dr. Abernethy und seiner Frau. Und sie sagten, daß jeder Sonntag, an dem man nicht etwas für seine Bildung tut, ein verlorener Sonntag sei. Ich verbrachte eine glückliche Zeit dort.«
    »Erzähl' mir etwas von dem Bostoner Symphomeorchester«:, bat Akemi. »In Japan halten wir es für das beste Orchester der Welt.« An dieser Stelle der Unterhaltung nahm die boshafte Frau Sakagawa ihren Sohn Shigeo beiseite und riet ihm: »Du solltest dich nicht so viel mit Akemichan unterhalten. Sie ist die Frau deines Bruders, und sie ist gar keine gute Frau. Sie wird dich dazu bringen wollen, daß du dich in sie verliebst, und dann kommt es noch zu einer Familientragödie. Ich habe sowohl dich wie Goro vor den Mädchen aus der Stadt gewarnt. Aber ihr wolltet nicht auf mich hören. Nun siehst du, was gesehen ist.«
    »Was ist geschehen?« fragte Shigeo.
    »Goro ist von einem eitlen und albernen Mädchen eingefangen worden«, erklärte die Mutter. »Musik, Bücher, Theater den lieben langen Tag. Sie möchte sich sogar über Politik unterhalten. Sie taugt nichts, die da.« Die Worte seiner Mutter beeindruckten Shigeo wenig, aber die Tatsache, daß Akemi in ihrer sanften japanischen Art hinreißend schön war, beunruhigte ihn, und er hütete sich von nun an, mit ihr allein zu sein, so daß ihr Leben nur noch verzweifelter wurde als zuvor. Es wurde durch die Ankunft einer jungen Soziologin von der Universität Hawaiis gerettet, einer Dr. Sumi Yamazaki, deren Eltern ebenfalls aus Hiroschima stammten. Dr. Yamazaki führte eine Befragung von dreihundert japanischen Mädchen durch, die amerikanische Soldaten geheiratet hatten, und sie kam erst dann zu Akemi, als sich ihre

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