Hawaii
Schlüsse bereits zu kristallisieren begannen. Akemi, die vermutete, daß die angemeldete Besucherin eine intelligente Frau war, hatte sich zunächst nach modernstem Tokyo-Stil gekleidet, so daß sie aussah, als käme sie direkt aus Paris. Aber als sie sich so im Spiegel betrachtete, sagte sie: »Heute möchte ich sehr japanisch sein.« So zog sie einen fließenden blaßblauen und weißen Kimono aus Schantung-Seide mit silbernen Zori an. Als dann Dr. Yamazaki kam, mußte Akemi entdecken, daß die junge Soziologin wie eine echte Moderniste aussah, wozu ihre lebendigen Augen und wache Intelligenz gut paßten. Die beiden Frauen faßten sogleich Zutrauen zueinander, und Dr. Yamazaki vermerkte in ihrem Gedächtnis die Notiz, die sie später niederschreiben sollte: »Akemi Sakagawa erschien in fröhlichem Kimono, leidet wahrscheinlich an Heimweh.« Und nach zwei Orientierungsfragen konnte sie Akemi genau einordnen. »Ihr Kimono hat mir alles über sie gesagt, Frau Sakagawa«, scherzte sie in vorzüglichem Japanisch. »Nennen Sie mich doch Akemi,
bitte.«
»Dies sind Ihre Beschwerden«, sagte die kluge Soziologin. »In Tokyo waren Sie eine Moderniste und kämpften für die Gleichberechtigung der Frauen. Hier begegnen sie einem alten Japan, das nicht einmal Ihre Eltern mehr gekannt haben. Sie finden die Sprache barbarisch, die geistige Beschränktheit erschreckend, und sehen, daß es keine ästhetischen Lebensanschauungen gibt.« Dr. Yamazaki zögerte und fuhr dann fort: »Sie denken: wenn Amerika so ist, möchte ich lieber wieder zu etwas Besserem zurückkehren.« Akemisan schluckte, denn sie hatte bisher nicht gewagt, diesen bitteren Schluß in Worte zu fassen, obwohl sie seit einiger Zeit seine Unvermeidlichkeit ahnte. Jetzt waren die erschreckenden Worte in der sanften Sprache einer anderen ausgesprochen worden. »Denken viele so wie ich, Yamazakisensei?«
»Würde Ihnen das etwas nützen?« fragte die junge Frau. »Ja. Es würde mir nützen!« rief Akemi eifrig.
»Sie müssen verstehen, daß meine Schlüsse noch nicht formuliert sind...« Akemi lachte nervös und sagte: »Wie gut ist es, wieder einmal ein Wort wie formuliert zu hören.«
»Sie sind verbittert«, sagte Dr. Yamazaki vorwurfsvoll. »Mehr als die andern?« fragte Akemi.
»Nein.«
»Ich glaube, daß Sie gerade im rechten Augenblick zu mir gekommen sind«, sagte Akemi eifrig.
»In den allgemeinen Umrissen sieht es so aus«, begann Dr. Yamazaki. Aber ehe sie weitersprechen konnte, unterbrach Akemi sie und fragte: »Würden Sie mich für ein sehr törichtes Mädchen halten, Yamazakisensei, wenn ich Ihnen gestehe, daß ich Ihnen gerne Tee bereiten möchte? Ich habe nämlich fürchterliches Heimweh.«
Die beiden Frauen saßen schweigend da, während Akemi nach dem alten Zeremoniell den Tee bereitete, und als sie getrunken hatten, fuhr Dr. Yamazaki fort: »Nehmen Sie einmal an, daß hundert Soldaten von hier japanische Mädchen heirateten. Sechzig der Männer waren Japaner. Dreißig waren Weiße. Zehn waren Chinesen.«
»Wie gehen diese Ehen?« fragte Akemisan.
»Nun, wenn Sie die dreißig Mädchen nehmen, die Weiße heirateten, so sind ungefähr achtundzwanzig von ihnen sehr glücklich. Einige der Mädchen sagen sogar, daß sie besinnungslos vor Glück sind. Sie sagen, daß sie nicht nach Japan zurückkehren würden, auch wenn sie den Hibiya-Park geschenkt bekämen.«
»Sie wollen nicht nach Japan zurückkehren?« wiederholte Akemi ungläubig. »Waren es Frauen, die etwas für Bücher und Theater und Musik übrig haben?«
»Genau wie Sie. Aber sehen Sie, wenn ein Haole eine Japanerin heiratet, sind seine Eltern so entsetzt, daß sie in einer echten geistigen Anstrengung versuchen, das Mädchen freundlich aufzunehmen. Und wenn sie dann jemanden wie Sie sehen, der sanft und wohlerzogen ist und ihren Sohn liebt, dann wird ihr erster Schrecken überkompensiert. Sie lieben das Mädchen mehr als nötig ist. Sie machen ihm das Leben zu einem Paradies auf Erden.«
»Freuen sich solche Leute an Musik?« fragte Akemi. »Gewöhnlich hat ein Haole nur dann den Mut, eine Japanerin zu heiraten, wenn er ein geistig hochkultivierter Mann ist. Solche Paare genießen ein volles Spektrum.« Akemi blickte düster auf die kahlen Wände des Sakagawa-Hauses mit dem kleinen Radioempfänger, der unentwegt amerikanischen Jazz und japanische Schlager brachte. Wenn sie mit Goro in ein Kino ging, war es unweigerlich ein Chanbara, ein japanischer Wildwester, in dem ein
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