Hawaii
und die ganze Gemeinde, eingeschlossen die fünf Sklaven, umstand die Tapa-Hütte und sang. Unter den Gebeten und Segensrufen der Untertanen ging nun der König in die heilige Hütte zu seiner Frau ein, und in diesem Augenblick steigerten sich die Gebete zur Ekstase.
Die Frau, bei der der König ruhte, war seine Schwester Natabu. Es war auf den Inseln seit altersher die Sitte, daß ein König, der einen Thronerben zeugen wollte, in dem sich die beste Abstammung mit der größten Heiligkeit verbinden sollte, zu seiner leiblichen Schwester eingehen mußte. Und obwohl Tamatoa wie seine Schwester Natabu später andere Ehepartner nehmen durften, so war doch ihre erste Pflicht - unter den allergünstigsten Vorzeichen und unter den Augen aller Untertanen -, einen königlichen Nachkommen zu zeugen.
»Möge die Vereinigung fruchtbar sein«, sang die alte Teura, während ihre Nichte und ihr Neffe in der Tapa-Hütte lagen. »Mögen starke Könige und Prinzessinnen von göttlichem Blut daraus hervorgehen.« Die Menge betete: »Möge diese
Vereinigung uns einen König schenken«, und obwohl sie schon bei früheren Gelegenheiten, als das Hochzeitszelt über Tamatoa errichtet worden war, so gebetet hatten, hatten sie es doch nie mit solcher Inbrunst getan; denn sie erkannten, daß in einem fremden Land ein Erbe von Geblüt besonders wichtig war. Wer hätte sie vor den Göttern vertreten sollen, wenn Tamatoa starb?
Am späten Nachmittag, als der König und seine Schwester die Hütte verließen, folgten ihnen die Augen der Leute, und die Gesänge brachen nicht ab, und alle beteten, daß an diesem glückversprechenden Tag etwas Gutes vollbracht worden sei.
Als das Hochzeitszelt fortgenommen und alle damit zusammenhängenden Zeichen geprüft worden waren, erwartete den König eine neue Aufgabe. Er wurde von Tupuna zu einem Feld geführt, in das die Bauern einen kleinen Strom geleitet hatten. Hier sollte die Taro-Pflanzung angelegt werden, die die Grundnahrung der Kolonie liefern würde. Schon hatte sich innerhalb der Lehmwände, die das Feld umgaben, das Wasser einen Fuß hoch angesammelt und verwandelte den Grund des Beetes in einen tiefen, weichen Sumpf. Tamatoa stellte sich dorthin, wo der Bach einmündete, und rief: »Möge die Gotteskraft meines Lebens durch meine Füße in den Boden übergehen und diese Pflanzung segnen!« Daraufhin trat er knietief in das schlammige Wasser und begann das Feld festzutrampeln. Tupuna, Teroro, Mato und Pa, die Männer mit der größten Götterkraft, schlossen sich ihm an und trampelten stundenlang über jeden Zentimeter des Taro-Feldes. Sie stampften dadurch den Schlamm zu einem wasserdichten Becken und versiegelten es mit ihrer Götterkraft. Als sie ihre Aufgabe erfüllt hatten, rief Tamatoa: »Möge dieses Feld für immer versiegelt sein. Pflanzt jetzt Taro.« Und so pflanzten sie nach zweitausend Jahre alten Regeln nicht nur Taro, sondern auch Brotfruchtbäume und Bananen und Pandanus. Aber um das Gedeihen keiner Pflanze bangten sie so sehr, wie um das der Kokospalme, deren Früchte sie jetzt in die Erde senkten, denn ihre ganze Lebenshaltung wurde entscheidend von diesem außerordentlichen Baum bestimmt. Wenn die Nüsse jung waren, gaben sie herrliches Wasser, später ein kostbares Öl oder süße Milch. Mit den Blättern wurden die Häuser gedeckt; aus den harten Nußschalen Gefäße und Geräte hergestellt; die Fasern der Hüllen lieferten die Seile; das Holz der Stämme wurde zum Bauen und zum Schnitzen der Götterbilder verwandt; die drahtige Faser, die in der Palmkrone entstand, wurde verwoben; die getrockneten Palmblätter lieferten Anzündholz und die Blattstengel die Wurfspeere. Aber vor allem gab ihnen die
Kokosnuß Nahrung, und die Sprache dieser Leute enthielt achtundzwanzig verschiedene Namen für die Reifestadien dieser wunderbaren Nuß - von dem Augenblick an, da sie eine gallertartige Substanz enthielt, die von den Alten und Kranken mit dem Löffel gegessen wurde, bis zu der Zeit, da sie eine feste, süße Nuß ausgebildet hatte.
Wenn eine Kokosnuß gepflanzt wurde, so legten die Leute um die Nuß einen jungen achtfüßigen Tintenfisch, um den künftigen Baum aufrecht zu halten. »Möge der König heute etwas Gutes geleistet haben«, beteten sie. Als gesät wurde, erwachte die Frage, welchen Namen diese Insel tragen sollte, und die Krieger, die wenig von Omen verstanden, kamen überein, daß sie Bora Bora heißen sollte; aber zu ihrem Erstaunen war der alte, weise
Weitere Kostenlose Bücher