Hawaii
Teroro, dem der Mut zurückkehrte, lief ihr nach. Aber sie war verschwunden.
Als er in die Niederlassung zurückkehrte, zitterte er am ganzen Leib. Aber aus irgendeinem Grund, den er nicht erklären konnte, teilte er seine Erfahrung niemandem mit. Er konnte in dieser Nacht nicht schlafen, denn aus der Dunkelheit starrten ihn noch immer die tiefliegenden, fanatischen Augen des Weibes an. Am nächsten Morgen nahm er Mato beiseite und sagte: »Ich habe einige Vögel gefunden. Laß uns in den Wald gehen.« Die beiden jungen Häuptlinge gingen zwischen den Bäumen hin, und Mato fragte: »Wo sind die Vögel?«
Da stand plötzlich das hagere, gequälte Weib vor ihnen. »Wer ist das?« fragte Mato erstaunt.
»Sie ist mir gestern begegnet. Ich glaube, sie will sprechen.« Aber das Weib sagte nichts und schien damit zufrieden zu sein, die beiden jungen Männer durch ihren wilden Blick zu warnen. Teroro sagte zu seinem Genossen: »Wenn wir uns entfernen, wird sie mit uns gehen.« Und so geschah es auch. Als die Krieger unter den Bäumen weiterzugehen begannen, ging sie mit ihnen. Ihre zerzausten Kleider wehten um sie her, und ihr seltsames Haar glänzte in der Sonne. Plötzlich war sie verschwunden.
»Wo ist sie hin?« fragte Mato.
»Weib! Weib!« rief Teroro. Umsonst.
Die beiden Männer überlegten sich, ob sie den andern ihr Erlebnis mitteilen sollten und beschlossen, es zu tun. So gingen sie zuerst zu der alten rotäugigen Teura und sagten: »Wir stießen im Wald auf ein fremdes Weib mit seltsamen Haaren...«
Aber noch ehe sie den Satz beenden konnten, brach das alte Weib in ein lautes Jammern aus: »Auweh, auweh! Es ist Pele! Sie ist gekommen, um uns zu vernichten.«
Der alte Tupuna stürzte herein, und sie rief im entgegen: »Sie haben Pele vom brennenden Feuer gesehen!« Und als der König hinzutrat, sagte sie zu ihm: »Die Vergessene ist gekommen, um uns zu strafen.«
»Auweh!« jammerte der König, denn er wußte vielleicht am besten von ihnen allen, welchen unverzeihlichen Fehler sie begangen hatten, als sie die Göttin zurückließen, die ihnen vorher mitgeteilt hatte, daß sie sich ihnen anschließen wollte. So verkündete er, daß sich die ganze Gemeinde im Tempel versammeln müsse, um die Göttin um Gnade anzuflehen. Aber zu dem Gebet kam es nicht mehr, denn in diesem Augenblick wurde die Erde von einem wilden Stoß erschüttert.
Noch nie hatten die Fremden etwas ähnliches erlebt. Die rote
Erde Havaikis hob und senkte sich, krümmte sich und wogte. Mitten in der Siedlung öffneten sich tiefe Spalten, und die Schweine schrien. »Oh, Pele!« rief der König in seinem Schrecken. »Verschone uns!« Und sein Gebet mußte Kraft gehabt haben, denn das Erdbeben hörte auf, und die erschreckten Siedler kauerten sich zusammen, um dieses mächtige Omen zu entziffern. Sie kamen nicht weit, denn ein viel gewaltigeres Zeichen sollte in diesem Augenblick über sie hereinbrechen. Von dem Berg hoch über ihren Köpfen wurden riesige Flammen ausgespien und Steine in die Luft geschleudert. Asche regnete auf die Erde nieder und bedeckte das Haupt des Königs und die jungen Bananenpflanzen. Der Ausbruch dauerte den ganzen Tag bis tief in die Nacht hinein, so daß die Wolken, die über der Insel hingen, rot aufstrahlten, als glühten auch sie.
Es war eine Nacht des Schreckens: erschütternd in der Fremdheit des Geschehens und lähmend durch seine Gewalt. Die Siedler versammelten sich am Strand um das Kanu, damit sie auf das Meer entkommen könnten, wenn das Land Feuer finge. Als der Ausbruch stärker wurde, bestand Tupuna darauf, daß mindestens der König und Natabu auf das sichere Meer hinausfuhren. Durch diese Vorsicht wurde die ganze Kolonie gerettet. Teroro schickte Hiro und Pa mit dem Kanu hinaus, und als es schon weit draußen auf dem Ozean schwamm, beleuchtet von dem feuerspeienden Berg, raste eine riesige Welle auf den Strand zu, deren Anprall das Kanu zerstört hätte, wenn es nicht vorher in sein angestammtes Element zurückgekehrt wäre.
Das Wasser drang weit ins Land ein. Es riß den Tempel nieder und entwurzelte viele der jungen Pflanzungen. In ihrem strudelnden Rückzug trugen die Wellen eines der Schweine, die meisten Bananenpflanzen und die rotäugige Teura mit sich fort. Die Göttin hatte sie gewarnt, aber sie hatte den Traum nicht verstanden, und als nun die aufgerührte See sie erreichte und sie hin und her warf, fürchtete sie sich nicht. Sie gab sich ganz den Göttern hin und flüsterte in die Wellen,
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