Hawkings Kosmos einfach erklaert
Stunde im Taxi kann selbst auf einer eintönigen Autobahn in Kanada äuÃerst spannend sein. Wenn man beispielsweise mit Jim Hartle zusammensitzt. Der mittlerweile emeritierte Physik-Professor von der University of California in Santa Barbara ist seit langem mit Hawking befreundet; er hatte ab 1972 mehrere Arbeiten zu Schwarzen Löchern mit ihm veröffentlicht, 1983 dann eine bedeutende kosmologische Hypothese ( siehe hier ), und seit 2007 arbeitet er mit Hawking ein neues Weltmodell aus ( siehe hier ). Die Taxifahrt bot also die grandiose Gelegenheit, viele offene Fragen zur Kosmologie und Quantenphysik zu diskutieren. Denn Hartle konnte ja nicht einfach aussteigen...
Wir kannten uns schon von mehreren früheren Konferenzen. Aber jene am Perimeter Institute for Theoretical Physics im kanadischen Städtchen Waterloo, eine Auto-Stunde westlich von Toronto gelegen, war etwas Besonderes. Nicht nur, weil das Institut eine der besten Adressen der modernen Physik ist. (Stephen Hawking hat dort nach seiner Emeritierung eine Gastprofessor übernommen.) Sondern weil das Thema der Konferenz wahrhaft ungeheuer war: Existieren andere Universen jenseits des unseren, und wie kann man davon überhaupt etwas wissen? Hartle hatte dazu, wie ich auch, einen Vortrag gehalten und dabei seine neuen Arbeiten mit Hawking vorgestellt. Als ich ihm dann im Taxi von Hawkings Frage an die Fee erzählte, runzelte er die Stirn. Es sei unklar, so Hartle, was âcompleteâ heiÃe und ob es überhaupt eine M-Theorie gäbe. AuÃerdem habe diese, soweit sie skizziert vorliegt, keine Wellenfunktion. Das ist gewissermaÃen die hypothetische Grundgleichung der Kosmologie, die das gesamte Universum beschreibt, sein Quantenzustand â und noch einiges mehr. Niemand kennt sie. Daher wäre das der Gegenstand seiner Frage an die Fee, schmunzelte Hartle: âWas ist die Wellenfunktion des Universums?â
⺠Kosmologie ist ein Sonderfall
Eine Erklärung des Urknalls und somit unseres Universums unterscheidet sich von anderen wissenschaftlichen Erklärungen gleich mehrfach:
⺠ Das beobachtbare Universum ist für uns einmalig und nicht von âauÃenâ zu betrachten.
⺠ Wir können nicht mit ihm experimentieren und es unter modifizierten Bedingungen betrachten.
⺠ Wir können es nicht mit anderen Universen vergleichen (falls es die gibt).
⺠ Und wir kennen aufgrund der begrenzten Beobachtungstiefe und -zeit (weil weder die Lichtgeschwindigkeit unendlich ist noch das Alter des Alls) nur einen winzigen Ausschnitt des Universums, von dem wir nicht einmal wissen, wie repräsentativ er ist.
Hinzu kommt ein weiteres Problem, das für Nichtphysiker spitzfindig erscheinen mag, das aber ans Eingemachte geht und der Hintergrund der Fee-Frage von Hawking und Hartle ist: Seit den Pionierleistungen von Isaac Newton wird bei physikalischen Erklärungen in der Regel zwischen Naturgesetzen einerseits und Rand- beziehungsweise Anfangsbedingungen andererseits unterschieden. Das Wissen um die Naturgesetze allein erlaubt es also noch nicht, ein Phänomen zu erklären. Man muss dazu auch die Randbedingungen kennen.
Will man beispielsweise eine Sonnenfinsternis voraussagen oder rückwirkend verstehen, braucht man nicht nur die Bewegungsgesetze von Erde und Mond relativ zur Sonne, sondern auch die konkreten Randbedingungen, das heiÃt Bahnparameter wie Geschwindigkeit, Entfernung sowie die Elliptizität und Neigung der Umlaufbahnen. Diese Bedingungen zeigen sich üblicherweise als direkte oder indirekte Messwerte, die man in die Gleichungen einsetzt. Dann kann man mithilfe der Naturgesetze beschreiben, wie sich die Randbedingungen im Lauf der Zeit verändern und zum Beispiel zu einer Finsternis führen.
Für eine wissenschaftliche Erklärung des Universums als Ganzes sind also zweierlei Arten von Kenntnissen nötig: einerseits die der fundamentalen Naturgesetze, andererseits die der Anfangs- beziehungsweise Randbedingungen (dazu später mehr, ab hier ). Beide Komponenten sind nur vage und sehr lückenhaft bekannt. Trotzdem lassen sich verschiedene Modelle entwickeln, durchspielen, verfeinern und mithilfe kosmologischer Messungen auch testen, anpassen oder verwerfen.
Naturgesetze beschreiben die Dynamik. Das geschieht etwa durch die Relativitäts- und Quantentheorie und künftig hoffentlich durch eine umfassendere Theorie der Quantengravitation
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