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Hawkings Kosmos einfach erklaert

Hawkings Kosmos einfach erklaert

Titel: Hawkings Kosmos einfach erklaert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Vaas
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Urknall-Energie in die Welt?

    Die kurze Antwort: Vielleicht gar nicht. Die Begründung ist allerdings ziemlich kompliziert und spekulativ. Insofern könnte die Antwort auch lauten: Man weiß es nicht. Und: Vielleicht ist die Frage sogar physikalisch sinnlos.
    Jetzt etwas ausführlicher: Am besten, man unterscheidet zwei Aspekte der Frage:
    Erstens: Ist unser Universum ein offenes oder geschlossenes System? Wenn es ein geschlossenes ist, kam die Energie überhaupt nicht in die Welt, sondern war immer schon in ihr. Es ist aber unklar, ob sich ein „kosmischer Energieerhaltungssatz“ widerspruchsfrei definieren lässt. Im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie macht das große Schwierigkeiten. Wenn jedoch unser Universum mit anderen Universen in Verbindung steht oder der Urknall aus einem Urvakuum entsprang und sich vielleicht in Schwarzen Löchern wiederholt, dann ist unser Universum ein offenes System. Dann könnte seine Energie von einem Vorläufer-Universum stammen oder ein Relikt des „falschen Vakuums“ sein, das im Szenario der Kosmischen Inflation auftaucht.
    Zweitens: Besitzt unser Universum überhaupt eine positive Gesamtenergie? Überraschenderweise vielleicht nicht! Denn der positiven Energie der Strahlung, der Materie und so weiter steht die mathematisch als negative Energie beschreibbare Schwerkraft gegenüber. Und die Bilanz scheint sich gerade ausgleichen, also „null“ zu ergeben. Davon sind viele Kosmologen überzeugt. Mehr noch: Das könnte sogar der Schlüssel zum Verständnis des Urknalls sein. Denn dann wäre vielleicht „alles“ – oder jedenfalls das ganze Universum – aus fast „nichts“ entstanden. Ohne Grund, Zweck und Ziel.Zufällig. Ganz spontan. Einfach so.
    Wobei das „Nichts“ eine Art Quantenvakuum ist: ein öder, nahezu leerer Raum quasi ohne Prozesse mit einer Zeitrichtung. Das lässt sich mithilfe der von Werner Heisenberg entdeckten und inzwischen experimentell glänzend bestätigten Unschärferelation von Energie und Zeit verstehen: Je genauer die Zeit von subatomaren Partikeln bestimmt ist, desto ungenauer ist ihre Energie und umgekehrt.
    Damit wird überhaupt erst der radioaktive Zerfall verständlich. Gemäß der klassischen Physik könnte sich nämlich kein Teil eines Atomkerns einfach selbstständig machen. Doch das geschieht – beispielsweise bei der Freisetzung von Alpha-Strahlung (Helium-Kernen). Denn in der Quantenphysik hat ein subatomares Partikel manchmal kurzfristig mehr Energie, als es die klassische Physik „erlaubt“, und so überspringt oder durchtunnelt es gleichsam die Energiebarriere.
    Analog dazu könnte sich die Entstehung oder „Freisetzung“ unseres ganzen Universums mit der Energie-Zeit-Unschärfe erklären lassen. Auf diesen kühnen Gedanken sind 1973 unabhängig voneinander der ukrainische Physiker Piotr Fomin und der amerikanische Physiker Edward Tryon gekommen. Die bis heute aktuell gebliebene und auch von Stephen Hawking aufgegriffene Grundidee: Wenn die Gesamtenergie des Universums sehr genau bestimmt ist, nämlich Null, dann ist die Zeit sehr „unscharf“, nämlich beliebig lang. Hat das Universum also keine Energie, kann es zufällig als Quantenfluktuation entstehen und sehr lange existieren: Es wäre aus dem Quantenvakuum ins Dasein gesprungen, ähnlich wie ein radioaktives Teilchen quantenphysikalisch aus seinem Atom herausspringt. „Das Universum ist einfach eines der Dinge, die manchmal geschehen“, brachte es Tryon auf den Punkt.
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    In den nachfolgenden Artikeln mit Hartle und Hertog ist davon jedoch nicht mehr die Rede. Vielmehr wird die Realität eines Universums vor dem Bounce ernsthaft erwogen – „zumindest im gleichen Sinn von Realität, wie andere Modelle von anderen Universen sprechen, die mit der Inflation entstanden sind und nicht mit unserem wechselwirken“, schrieben die Forscher salomonisch.
› Bizarre Gegenzeit
    Von all diesen aufregenden Möglichkeiten hat Hawking im Buch Der Große Entwurf nicht berichtet. „Er meint, dass dies keinen Einfluss auf unser gegenwärtiges Universum hat“, kommentiert Leonard Mlodinow (dass dies aber nicht so sein muss, wird gleich noch zur Sprache kommen). Wenn nämlich die Inflation lange genug angedauert hat, sind alle Spuren aus der Zeit vorher ins Unkenntliche zerstreut worden.

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