Hawkings Kosmos einfach erklaert
absolute âNichtsâ.
Wenn Physiker manchmal davon sprechen, dass es âetwasâ gibt, weil âdas Nichtsâ instabil sei, denken sie weniger an Metaphysik als an Potenziallandschaften, Symmetriebrüche und Phasenübergänge, wie sie in der Elementarteilchenphysik gängig sind. âNichtsâ meint dabei den einfachsten physikalischen Zustand, zuweilen Quantenvakuum genannt. Für eine Entstehung unseres Universums â und vielleicht auch vieler anderer â aus einem solchen fast leeren Raum spricht tatsächlich einiges. Doch ist dieser Grundzustand zwar wenig â gleichsam das Minimum, das die Gesetze der Physik âerlaubenâ â, aber sicherlich nicht nichts. Er enthält etwas (Quantenfluktuationen) und ist ja selbst etwas (eine mehrdimensionale Mannigfaltigkeit).
Sprechen Hawking und Mlodinow also von âspontaner Erzeugungâ und schreiben sie im Hinblick auf die spekulative âWeltformelâ der M-Theorie, diese sei âder einzige Kandidat für eine vollständige Theorie des Universums. Wenn sie endlich ist â und das gilt es noch zu beweisen â, dann ist sie das Modell eines Universums, das sich selbst erschafftâ, so klingt das groÃspuriger, als es tatsächlich ist. âMit âNichtsâ meinen wir den Vakuumzustand in der Quantenfeldtheorieâ, erläutert Mlodinow. Aus dem absoluten Nichts kann das Universum â oder Multiversum â demzufolge also nicht ins Dasein gesprungen sein.
Natürlich lässt sich weiter fragen, woher denn das Quantenvakuum stammt. Vielleicht von einem grundlegenderen Vakuum, aus dem quasi fortwährend neue Universen wie Gasblasen im siedenden Wasser hervorblubbern â jedes mit seinem eigenen Urknall und mit seinen Naturgesetzen und -konstanten. Das kann im Rahmen der Ewigen Inflation, aber auch der M- oder Stringtheorie beschrieben werden (und neuerdings sogar in einer Kombination von beiden). Dann ist es gar nicht mehr so erstaunlich, dass aus dieser Unmenge an Möglichkeiten, die im Vakuum stecken, auch ein lebensfreundliches Universum entsteht, das Menschen hervorbringen konnte â darunter einen, der das alles in einem âGroÃen Entwurfâ skizziert. Trotzdem bleibt die Fülle des Seins letztlich (metaphysisch) unerklärlich und zufällig.
Tatsächlich hat Hawking dies ähnlich gesehen und damit auch Absoluterklärungen und Allwissenheitsfantasien eine Absage erteilt: Bereits im Juni 1987 betonte er in einem Vortrag, den er in Cambridge anlässlich des 300. Jahrestags der Veröffentlichung von Isaac Newtons epochalem Werk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica hielt: âAuch wenn die Wissenschaft möglicherweise das Problem zu lösen vermag, wie das Universum begonnen hat, nicht beantworten kann sie die Frage: Warum macht sich das Universum die Mühe zu existieren?â
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⺠Der Urschwung
In einem Alter, in dem sich andere Forscher auf den Ruhestand vorbereiten, startete Hawking ungeachtet seiner schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch einmal richtig durch. Ende November 2007 veröffentlichte er mit Hartle und Hertog einen kurzen, bis zum Februar 2008 noch mehrfach überarbeiteten Artikel in der einschlägigen Internet-Datenbank arXiv mit dem Titel The No-Boundary Measure of the Universe , der anschlieÃend im 100. Band der Fachzeitschrift Physical Review Letters gedruckt wurde. Im Dezember 2007 stellten sie ihre Ãberlegungen auf der hochkarätigen Konferenz The Very Early Universe in Cambridge der Fachwelt vor. Und im März 2008 folgte die umfangreiche Abhandlung The Classical Universes of the No-Boundary Quantum State mit ausführlichen Berechnungen, die noch im selben Jahr im Fachjournal Physical Review D erschien. Darin wird gezeigt,wie sich ein homogenes und isotropes â also auf groÃen Skalen gleichförmiges â Universum mit Kosmologischer Konstante, Materie und klassischer Raumzeit mit der Kosmischen Inflation und einem Instanton vereinbaren lässt.
Dabei haben Hawking & Co. sowohl die Raumzeit als auch die Beobachter in ihr â also Kosmologen wie sie selbst â quantenmechanisch beschrieben. Mithilfe der Keine-Grenzen-Bedingung gelang der Nachweis, dass ein Universum, wie wir es beobachten, eine Phase der Kosmischen Inflation durchlaufen haben muss. Die klassische Raumzeit heute, die mit der Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben wird,
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