Hawks, John Twelve - Dark River
sollte ein Schild hängen: ›Es ist gesetzlich verboten, nach zehn Uhr morgens Cappuccino zu bestellen.‹«
Maya lächelte. »Was ist mit Espresso?«
»Espresso wäre in Ordnung.« Lumbroso öffnete die Mappe und zog einen braunen Umschlag voller Hochglanzfotos heraus. »Ich habe die Aufnahmen gestern Abend hochgeladen und auf Fotopapier ausgedruckt. Sie haben großartige Arbeit geleistet, Maya. Ich konnte die Schrift ziemlich gut entziffern.«
»Wird irgendwo eine Einstiegsstelle erwähnt?«
»Auf der Sonnenuhr sind Orte beschrieben, die unser modernes Verständnis nicht als real bezeichnen würde, und daneben auch solche, die uns mit anderen Welten verbinden. Sehen Sie sich dieses Bild an …« Er legte ein Foto vor Maya auf den Tisch. »Das ist auf Lateinisch geschrieben und bezieht sich auf Aegyptus – das ist römisch für Ägypten. Nach Kleopatras Tod wurde Ägypten Teil des Römischen Reiches. Rechts neben der lateinischen Inschrift stehen griechische Wörter.«
Lumbroso reichte ihr ein weiteres Foto und nippte dann an seinem Cappuccino. Maya studierte ein Bild, auf dem sowohl griechische als auch lateinische Wörter zu sehen waren.
»In dieser Inschrift kommt ein Wort vor, das ›Tür‹ oder ›Pforte‹ bedeutet.« Lumbroso nahm das Foto und begann zu übersetzen. »Die Pforte zu Gott wurde von Ludaea nach Ta Netjer gebracht – ins Land Gottes.«
»Mit anderen Worten: Wir wissen nicht, wo sich der Durchgang befindet.«
»Ich widerspreche. Diese Ortsangaben sind ebenso eindeutig wie jene in den Reiseführern, die die Touristen durch Rom schleppen. Ludaea ist der römische Name einer Provinz, zu der auch Jerusalem gehörte. Ta Netjer – Land Gottes – wurde auch Punt genannt. Man geht inzwischen davon aus, dass es sich um Nordäthiopien handelt.«
Maya zuckte mit den Schultern. »Das verstehe ich nicht, Simon. Wie sollte eine Pforte, eine Einstiegsstelle, beweglich sein?«
»Nur ein einziges berühmtes Objekt wurde von Jerusalem nach Äthiopien transportiert. Eine Pforte, die wir in heutigen Zeiten die Bundeslade nennen.«
»Die Bundeslade ist eine Legende«, sagte Maya. »So wie Atlantis oder König Arthur.«
Lumbroso beugte sich vor und sprach im Flüsterton weiter. »Ich habe keine Bücher über König Arthur gelesen, aber über die Bundeslade weiß ich eine ganze Menge. Es handelt sich um eine mit Gold überzogene Truhe aus Akazienholz mit einem massivgoldenen Deckel, Kapporet genannt. Die Bibel liefert uns sogar genaue Maßangaben zu diesem heiligen Gegenstand. Sie ist ungefähr einhundertdreißig Zentimeter lang und achtzig Zentimeter breit. Die Israeliten haben die Lade während ihres Exils in der Wüste gebaut. Im ersten Tempel, den Salomo errichtete, kam ihr ein Ehrenplatz zu. Der allgemeinen Einschätzung zufolge wurden in der Bundeslade die Zehn Gebote aufbewahrt. Ich finde es jedoch weitaus logischer, dass sie irgendeine Art von Zugang birgt. Die Lade stand im Allerheiligsten, tief im Tempel verborgen.«
»Aber wurde die Lade nicht von den Assyrern zerstört?«
»Bestimmt meinen Sie die Babylonier.« Lumbroso lächelte. »In allen Überlieferungen stimmt eine einzige Information überein, nämlich die, dass sich die Bundeslade nicht mehr im Tempel befand, als Nebukadnezar Jerusalem überfiel. Die Babylonier haben detaillierte Listen über ihre Plünderungen geführt, aber die Bundeslade wird nirgends erwähnt. Die berühmte Kupferblechrolle – eine der berühmten Schriftrollen von Qumran, die 1947 entdeckt wurden – besagt ausdrücklich, dass das Tabernakel, das transportable Zeltheiligtum der Lade, noch vor der babylonischen Invasion aus dem Tempel geschafft wurde. Einige vermuten, der Prophet Jeremia habe die Bundeslade irgendwo in Israel versteckt. Die Inschrift auf der Sonnenuhr bestätigt jedoch die Legende, derzufolge Menelik der Erste, der Sohn von König Salomo und der Königin von Saba, die Bundeslade nach Äthiopien brachte. Den Römern war diese Geschichte bekannt, als sie die Inschrift anfertigten.«
»Dann befindet sich die Lade in Afrika?«
»Das ist kein großes Geheimnis, Maya. Sie können es im Internet und in Dutzenden von Büchern nachlesen. Momentan befindet sich die Lade in der nordäthiopischen Stadt Aksum, in der Kirche der Heiligen Maria von Zion. Sie wird von einer Gruppe von äthiopischen Priestern bewacht, aber nur einer von ihnen ist befugt, den Schrein zu betreten.«
»Ihre Theorie hat einen Haken«, sagte Maya. »Warum haben die
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