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Hawks, John Twelve - Dark River

Hawks, John Twelve - Dark River

Titel: Hawks, John Twelve - Dark River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Duell der Traveler
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Stadt verteilt, Schauplätze von Leben und Tod, von großem Reichtum und noch größerer Armut.
    Die Geister der Vergangenheit lebten weiter, dennoch hatte eine grundlegende Veränderung stattgefunden. Überall hingen Überwachungskameras —an den Kreuzungen ebenso wie in den Geschäften. Es gab Gesichtsscanner, Vorrichtungen zur Autokennzeichenerfassung und Türsensoren zum Ablesen der Hochfrequenzpersonalausweise, die die meisten Erwachsenen bei sich trugen. Die Einwohner Londons strömten aus der U-Bahn und hasteten zur Arbeit, während das System ihre digitalen Spuren speicherte.
    Gabriel hatte sich Tyburn Convent als eine graue Steinkirche mit efeubewachsenen Außenmauern vorgestellt. Stattdessen fand er sich vor einem Doppelhaus aus dem neunzehnten Jahrhundert mit bleigefassten Fensterscheiben und schwarzem Schieferdach wieder. Der Konvent lag an der Bayswater Road und dem Hyde Park direkt gegenüber. Der Autoverkehr wälzte sich in Richtung Marble Arch vorüber.
    Eine kurze Metalltreppe führte zu einer Eichentür mit Messingknauf hinauf. Gabriel betätigte die Klingel, und eine alte benediktinische Nonne mit strahlend weißer Tracht und schwarzer Haube erschien an der Tür.
    »Sie kommen zu früh«, verkündete sie. Sie sprach mit starkem irischem Akzent.
    »Zu früh für was?«
    »Oh. Sie sind Amerikaner.« Gabriels Staatsangehörigkeit schien alle nötigen Erklärungen von selbst zu liefern. »Die Führung durch das Heiligtum beginnt erst um zehn. Aber auf ein paar Minuten kommt es wohl nicht an.«
    Die Nonne ließ Gabriel in einen Vorraum ein, der wie ein Käfig aussah. Durch eine vergitterte Tür gelangte man auf eine Kellertreppe. Eine zweite Tür führte zur Klosterkapelle und den Wohnräumen.
    »Ich bin Schwester Ann.« Die Nonne trug eine altmodische Brille mit Goldfassung. Das schwarze Kopftuch umrahmte ihr glattes, energisches, beinahe alterslos wirkendes Gesicht. »Ich habe Verwandte in Chicago«, sagte sie. »Stammen Sie aus Chicago?«
    »Nein. Leider nicht.« Gabriel berührte die Gitterstäbe, die sie von allen Seiten umgaben.
    »Wir Benediktinerinnen leben hier in Klausur«, erklärte Schwester Ann. »Das bedeutet, dass wir unsere Zeit mit Beten und Kontemplation verbringen. Zwei Ordensschwestern kümmern sich um die Besucher. Ich tue das dauerhaft, die andere Schwester wechselt etwa alle zwei Monate.«
    Gabriel nickte höflich, so als wäre die Information hilfreich. Er fragte sich, wie er am besten auf seinen Vater zu sprechen käme.
    »Ich würde Sie durch die Krypta führen, aber ich bin noch mit der Buchhaltung beschäftigt.« Schwester Ann zog einen großen Schlüsselbund aus der Tasche und schloss eine der Gittertüren auf. »Warten Sie hier. Ich hole Schwester Bridget.«
    Die Nonne verschwand in einem Korridor und ließ Gabriel allein zurück. An der Wand befand sich ein Ständer mit Prospekten, am Schwarzen Brett darüber hing ein Spendenaufruf. Offenbar hatte ein Bürokrat der Londoner Stadtverwaltung beschlossen, dass die Nonnen dreihunderttausend Pfund auftreiben mussten, um einen behindertengerechten Klostereingang zu schaffen.
    Gabriel hörte Stoff rascheln, und dann schien Schwester Bridget über den Korridor auf die Eisenstäbe zuzuschweben. Sie war viel jünger als Schwester Ann. Die Nonnentracht verbarg alles außer ihren rosigen Wangen und den dunkelbraunen Augen.
    »Sie sind Amerikaner.« Schwester Bridgets Stimme klang schwach, fast atemlos. »Wir haben viele amerikanische Besucher. Die meisten sind sehr großzügige Spender.«
    Schwester Bridget betrat den Käfig und schloss die andere Gittertür auf. Während Gabriel der Nonne die gewundene Eisentreppe hinunterfolgte, erfuhr er, dass auf dem Galgenplatz von Tyburn, der heute am Ende der Straße lag, Hunderte Katholiken gehängt oder geköpft worden waren. Im elisabethanischen Zeitalter musste es so etwas wie ein diplomatisches Abkommen gegeben haben, denn der spanische Botschafter hatte den Exekutionen beiwohnen und Haarlocken der Toten an sich nehmen dürfen. Als man den Galgenplatz in jüngerer Zeit aufgerissen hatte, um einen Kreisverkehr zu bauen, waren Relikte aus jenen Tagen aufgetaucht.
    Die Krypta sah aus wie ein großer Fabrikkeller. Über dem schwarzen Betonfußboden wölbte sich die weiße Kellerdecke. Glasvitrinen dienten zur Ausstellung von Knochen und blutgetränkten Stofffetzen. An einer Wand hing sogar ein gerahmter Brief, den ein Märtyrer aus der Gefangenschaft geschrieben hatte.
    »Und das waren

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