Hawks, John Twelve - Dark River
ausschließlich Katholiken?«, fragte Gabriel. Er starrte einen gelben Beinknochen und zwei Rippen an.
»Ja. Alles Katholiken.«
Gabriel blickte kurz ins Gesicht der Nonne und erkannte, dass sie log. Angesichts dieser Sünde geriet sie mit ihrem Gewissen in Konflikt, und nach einer Weile sagte sie vorsichtig: »Katholiken und … ein paar andere.«
»Sie meinen Traveler?«
Die Nonne erschrak. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Ich bin auf der Suche nach meinem Vater.«
Die Nonne schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln. »Lebt er in London?«
»Mein Vater heißt Matthew Corrigan. Ich glaube, er hat von diesem Ort einen Brief abgeschickt.«
Schwester Bridget legte sich eine Hand an die Brust, so als wollte sie einen Schlag abwehren. »In diesem Kloster sind keine Männer erlaubt.«
»Mein Vater versteckt sich vor Leuten, die ihm etwas antun wollen.«
Das Erschrecken der Nonne verwandelte sich in Panik. Sie taumelte rückwärts auf die Treppe zu. »Matthew hat uns gesagt, er würde hier unten in der Krypta ein Zeichen hinterlassen. Mehr kann ich Ihnen nicht verraten.«
»Ich muss ihn finden«, sagte Gabriel. »Bitte sagen Sie mir, wo er ist.«
»Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht mehr verraten«, flüsterte die Nonne. Dann verschwand sie mit laut polternden Schritten über die Eisentreppe.
Gabriel lief durch die Krypta wie ein Mann, der in ein Gebäude eingeschlossen ist, das einzustürzen droht. Knochen. Heilige. Ein blutbeflecktes Hemd. Wie sollten ihn diese Gegenstände zu seinem Vater führen?
Schritte auf der Treppe. Gabriel hatte erwartet, Schwester Bridget wiederzusehen, stattdessen stand Schwester Ann vor ihm. Die irische Nonne sah wütend aus. Das Licht spiegelte sich auf ihren Brillengläsern.
»Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?«
»Ja. Ich bin auf der Suche nach meinem Vater, Matthew Corrigan. Die andere Nonne, Schwester Bridget, hat gesagt …«
»Das reicht. Sie müssen jetzt gehen.«
»Sie sagte, er hätte ein Zeichen hinterlassen …«
»Gehen Sie, sofort. Sonst rufe ich die Polizei.«
Die Miene der älteren Nonne ließ keinen Widerspruch zu. Gabriel konnte das helle Klimpern ihres Schlüsselbundes hören, als sie ihm über die Treppe und bis vor das Kloster folgte. Er stand draußen in der Kälte, und Schwester Ann wollte gerade die Tür schließen.
»Schwester, bitte, verstehen Sie doch …«
»Wir wissen, was in Amerika passiert ist. Ich habe in der Zeitung gelesen, wie diese Leute umgebracht worden sind. Nicht einmal die kleinen Kinder haben sie verschont. So etwas dulden wir hier nicht!«
Sie schlug die Tür mit Wucht zu, und dann hörte Gabriel Schlösser zuschnappen. Er wollte etwas rufen und gegen die Tür hämmern, aber damit hätte er nur die Polizei auf sich aufmerksam gemacht. Ratlos starrte der Traveler den Autoverkehr und die kahlen Bäume des Hyde Parks an. Er war in einer fremden Stadt, ohne Geld und ohne Freunde, und niemand würde ihn vor der Tabula beschützen. Er war allein, ganz und gar allein in diesem unsichtbaren Gefängnis.
DREIZEHN
N achdem er ein paar Stunden ziellos durch die Gegend gelaufen war, entdeckte Gabriel an der Goodge Street in der Nähe der Londoner Universität ein Internetcafé. Der Laden wurde von einer Gruppe freundlicher Koreaner betrieben, die nur ein paar Brocken Englisch sprachen. Gabriel kaufte eine Guthabenkarte und lief an einer Reihe von Computern vorbei. Einige Leute sahen sich Pornoseiten an, während andere auf der Suche nach günstigen Flugtickets waren. Der blonde Teenager am Nachbarcomputer war in ein Online-Spiel vertieft, bei dem sein Avatar sich in einem Gebäude versteckte und jeden Fremden tötete, der in Sicht kam.
Gabriel setzte sich vor den Bildschirm und besuchte mehrere Chatrooms, um Linden zu finden, den französischen Harlequin, der ihnen Geld nach New York geschickt hatte. Nach zwei Stunden voller Fehlschläge hinterließ er auf einer Sammler-Website für antike Schwerter eine Botschaft. G. in London. Geldmittel benötigt. Er bezahlte die Koreaner für seine Zeit am Computer und verbrachte den Rest des Tages in einem Lesesaal der Londoner Universitätsbibliothek. Als die Bibliothek um neunzehn Uhr schloss, ging er in das Internetcafé zurück, nur um festzustellen, dass niemand auf seine Nachricht reagiert hatte. Draußen auf der Straße konnte er seinen gefrierenden Atem sehen. Eine Gruppe von Studenten schob sich lachend an ihm vorbei. Er hatte weniger als zehn Pfund in der
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