Hazienda der Traeume - Julia Saisonband Bd 66
dunkle Locken fielen ihm in die Stirn. „Was wollen Sie?“, fragte er, bevor Julie Gelegenheit hatte, etwas zu sagen.
„Ich würde gern ins Haus kommen. Wie du siehst, gießt es in Strömen.“
„Wer sind Sie?“
„Ich heiße Julie. Ist dies das Haus von Señor Vega?“
„Vielleicht.“
„Ich habe eine lange Reise hinter mir, bin müde und völlig durchnässt und denkbar schlechter Laune. Entweder lässt du mich jetzt ins Haus, oder du holst jemanden.“
Der Junge wich einen Schritt zurück. „Sie sind wohl die Lehrerin. Warum sind Sie gekommen? Es sind Ferien. Ich brauche Sie nicht.“
„Weg von der Tür, Enrique!“ Eine große, hagere Frau musterte Julie mit scharfem Blick. „Sind Sie die Lehrerin?“
„Ja.“
Die Frau zog die Tür auf. „Dann stehen Sie nicht herum! Kommen Sie lieber herein.“
Sie hatte streng aus dem Gesicht gekämmtes schwarzes Haar. Zu einem wadenlangen schwarzen Kleid trug sie dunkle Strümpfe und bequeme Schuhe. Julie schätzte ihr Alter auf Ende Dreißig. Mit einer Hand hielt sie die Schulter des Jungen umfasst. „Sie ruinieren den Fußboden“, sagte sie streng.
Julie betrachtete die Pfütze zu ihren Füßen, die immer größer wurde. Die einstmals eleganten Pumps waren völlig verschmutzt und wahrscheinlich nicht mehr zu retten. Was für ein schrecklicher Tag! Neun Stunden in einem überhitzten Bus, eine gefährliche Überfahrt in einem schlingernden Boot und als Krönung der steile, rutschige Anstieg zum Haus. Sie fror, war vollkommen durchnässt und viel zu erschöpft, um sich für die Spuren auf dem Fußboden zu entschuldigen.
„Ich heiße Julie Fleming“, sagte sie. „Und ich komme von der Sprachenschule in Guadalajara. Ist Señor Vega da? Ich würde ihn gern sprechen.“
„Señorita Fleming?“, ertönte eine Männerstimme aus dem Hintergrund. „Wir haben Sie früher erwartet. Ich habe jemanden geschickt, der Sie von der Bushaltestelle abholen sollte, aber Sie saßen nicht im Bus aus Guadalajara. Warum nicht?“
„Ich habe den Schnellbus verpasst und musste den langsameren Bus nehmen.“
Es war ziemlich dunkel im Haus, sodass sie nur die Umrisse eines großen Mannes ausmachen konnte.
Jetzt kam er näher. Er war tatsächlich sehr groß, trug dunkle Jeans, einen schwarzen Rollkragenpullover und hatte kurzes schwarzes Haar. Auch seine Augen waren tief dunkel. Er hatte sich seit mindestens drei Tagen nicht rasiert und lief barfuß.
Er sah sie ohne ein Lächeln an und machte keine Anstalten, ihr zur Begrüßung die Hand zu reichen.
„Ich bin Vega.“ Er zeigte auf den Jungen. „Das ist Enrique. Wir nennen ihn Kico. Und das ist Alicia Fernández, meine Haushälterin.“
Eingehend musterte er Julie. „Wir essen um sieben Uhr zu Abend. Alicia zeigt Ihnen Ihr Zimmer.“
Abrupt wandte er sich um und ließ sie einfach stehen.
„Kommen Sie mit“, sagte Alicia Fernández.
Im Gegensatz zu anderen mexikanischen Häusern, die Julie schon besucht hatte, waren in der Diele dieser Hazienda keine Blumenkübel aufgestellt, die mit ihrer Farbenpracht den großen Raum hätten verschönern können. Je weiter man in das Haus vordrang, desto düsterer erschien es. Julie meinte, sich in einer Gruft zu befinden, und fröstelte unwillkürlich. Flackernde Kerzen, die in den altertümlichen Wandleuchtern steckten, warfen gespenstische Schatten auf die Gemälde hagerer, traurig dreinblickender Heiliger, die in schier unerträglichem Schmerz gefangen zu sein schienen.
Die Haushälterin blieb am Ende des Korridors stehen und stieß eine Tür auf. „Das ist Ihr Zimmer. Der Junge wohnt zwei Türen weiter.“ Missbilligend betrachtete sie Julies durchweichte Schuhe. „Die ziehen Sie jetzt lieber aus.“ Ohne ein weiteres Wort verschwand sie wieder.
Das Zimmer war so groß wie Julies gesamte Wohnung in Guadalajara, aber düster und abweisend. Die hohen Decken waren getäfelt, der kühle Marmorboden teilweise von einem braun-grau gemusterten Teppich im Stil der mexikanischen Ureinwohner bedeckt. Der Raum war mit dunklen schweren Möbeln eingerichtet. Als sie ihr Gepäck abstellte und sich umsah, lief ihr ein eisiger Schauer über den Rücken.
Ein großes Bett mit einem Nachttisch an beiden Seiten beherrschte den Raum. Links und rechts vom Kamin befand sich jeweils ein großer Sessel. An der gegenüberliegenden Wand stand ein mächtiger Kleiderschrank.
Julie schlüpfte aus den Schuhen und ging zum Kamin, in dem Scheite aufgeschichtet waren. Suchend sah sie sich um und
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