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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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»Ferdy?«
    »Natürlich
nicht, wenn Kunden anwesend sind.« Ich lächelte breit und spürte, wie die
Kopfschmerzen besser wurden. »War das alles, Ferdy?«
    Das
war alles.
    Bis
zum Mittag kaute ich Kopfschmerztabletten und starrte auf die Uhr.
    Dann
ging ich zum Goldschmied vis-á-vis des Sushi & Coffee.
    »Die
da«, sagte ich und zeigte auf die Diamantohrringe im Schaufenster.
    Das
Kreditkartenkonto reichte so gerade eben. Aber die tiefrote, samtige Oberfläche
des Kästchens war weich wie das Fell eines Welpen.
    Nach
dem Mittag kaute ich weiter Tabletten und starrte auf die Uhr.
     
    Exakt
um fünf Uhr parkte ich den Wagen in der Inkognitogata. Ich hatte keine
Schwierigkeiten, einen freien Parkplatz zu finden: Alle schienen irgendwie
unterwegs zu sein - wer hier arbeitete, war weg, und wer hier wohnte, noch
nicht wieder zurück.
    Es
hatte gerade geregnet, und meine Schuhsohlen schmatzten auf dem regennassen
Asphalt. Ich trug die Mappe unter dem Arm, sie war leicht. Sie enthielt eine
Reproduktion von nur mittelmäßiger Qualität, die mit 15 000 schwedischen Kronen
reichlich überteuert gewesen war. Doch das hatte in diesem Moment keine
Bedeutung.
    Wenn
es in Oslo eine Straße gibt, die wirklich hip ist, dann die Oscars gate. Ein
kunterbuntes Durcheinander architektonischer Stilrichtungen, wobei sich die
meisten Bauten an der Neorenaissance orientieren. Fassaden mit neugotischen
Mustern und bepflanzte Vorgärten. In diesen Häusern lebten Ende des 19. Jahrhunderts die
Direktoren und hohen Funktionäre.
    Ein
Mann mit einem Pudel kam mir entgegen. Hier im Zentrum gab es keine Jagdhunde.
Er blickte durch mich hindurch. Zentrum eben.
    Ich
kam zu dem Haus mit der Nummer 35 mit seiner »historisch geprägten
Architektur«, wie die Adresssuchmaschine im Internet mir mitgeteilt hatte.
Interessanter war da schon der Hinweis, dass die früher hier ansässige
spanische Botschaft nicht mehr in dem Haus residierte, so dass mir lästige
Überwachungskameras aller Voraussicht nach erspart blieben. Vor dem Haus, das
mich mit seinen schwarzen Fenstern still begrüßte, war niemand. Der Schlüssel,
den ich von Ove bekommen hatte, sollte sowohl für die Haustür als auch für die
Wohnungstür passen. Unten passte er jedenfalls. Ich ging schnell die Treppe
hoch. Mit entschlossenen Schritten, weder zu schwer noch zu leicht. Wie
jemand, der weiß, wohin er will, und nichts zu verbergen hat. Ich hielt den
Schlüssel in der Hand, damit ich oben vor der Wohnungstür nicht danach suchen
musste. So etwas war in einem alten, hellhörigen Haus immer sehr auffällig.
    Dritte
Etage. An der doppelten Milchglastür stand kein Name, aber ich wusste, dass ich
hier richtig war. Ich war nicht so ruhig, wie ich geglaubt hatte, mein Herz
hämmerte mir gegen die Rippen, und ich verfehlte das Schlüsselloch. Ove hatte
mir einmal erzählt, dass die Feinmotorik als Erstes ausfällt, wenn man Angst
hat. Er hatte in einem Buch über den Nahkampf gelesen, dass man plötzlich die
Waffe nicht mehr laden konnte, wenn man die Mündung einer anderen vor sich sah.
Trotzdem traf ich das Schlüsselloch beim zweiten Versuch. Der Schlüssel ließ
sich drehen, lautlos, glatt und perfekt. Ich drückte die Klinke nach unten und
zog. Nichts. Ich drückte. Aber die Tür wollte nicht aufgehen. Ich zog noch
einmal. Verdammt! Hatte Greve etwa ein zusätzliches Schloss anbringen lassen?
Sollten all meine Pläne und Träume wegen eines blöden zusätzlichen Schlosses
zerplatzen? Ich zerrte mit aller Kraft an der Tür, jetzt panisch. Schließlich
löste sie sich mit einem Knall vom Rahmen, Glas klirrte in der Tür, und das
Echo hallte durch den Hausflur. Ich schlüpfte in die Wohnung, machte die Tür
vorsichtig wieder zu und atmete aus. Mit einem Mal erschien mir der Gedanke,
der mir gestern Abend gekommen war, vollkommen idiotisch. Ob ich die Spannung,
an die ich mich so gewöhnt hatte, wohl vermissen würde?
    Ich
atmete ein, und schlagartig füllten sich Nase, Mund und Lungen mit dem Dunst
der Lösungsmittel. Latexfarbe, Lack und Leim.
    Ich
stieg über die Farbeimer und Tapetenrollen im Flur und ging in die Wohnung.
Graues Papier auf Eichenparkett, halbhoch vertäfelte Wände, Staub und alte
Fenster, die allem Anschein nach auch noch ausgetauscht werden sollten. Zimmer
in der Größe kleinerer Ballsäle, die aufeinanderfolgten wie Perlen auf einer
Schnur.
    Ich
fand die halbfertige Küche hinter dem mittleren Zimmer. Strenge Linien, Metall
und Holz, sicher teuer, ich tippte auf

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