Headhunter
Ordnung.
Zum
anderen ein Ausspruch von Pontoppidan: Ein Mensch könne die Seele eines anderen
Menschen töten, sie anstecken und mit sich in die Sünde ziehen, so dass sie
keine Erlösung findet. Das tröstete mich weniger. Und der Gedanke, ich könnte
die Flügel eines Engels besudeln, bewog mich, Diana niemals in die Art meiner
Extraeinnahmen einzuweihen.
Sie
pflegte mich sechs Tage lang. Ich genoss diese Zeit ebenso, wie sie mich
quälte. Denn ich wusste, dass ich mich nicht so um sie gekümmert hätte,
jedenfalls nicht bei einer einfachen Mumpserkrankung. Als ich sie schließlich
aus reiner Neugier fragte, warum sie mich so umsorgte, war ihre Antwort ganz
simpel:
»Weil
ich dich liebe.«
»Aber
es ist doch nur Mumps.«
»Vielleicht
kriege ich später nie wieder die Gelegenheit dazu. Du bist so fit.«
Es
hatte wie eine Anklage geklungen.
Tags
darauf stand ich wieder auf, ging zu einem Bewerbungsgespräch bei einem
Rekrutierungsunternehmen namens Alfa und gab ihnen deutlich zu verstehen, dass
sie Idioten wären, wenn sie mich nicht anstellten. Ich weiß ganz genau, warum
ich ihnen das mit einer derart unerschütterlichen Selbstsicherheit sagen
konnte. Nichts lässt einen Mann so über sich hinauswachsen wie das Bekenntnis
einer Frau, ihn zu lieben. Und egal, wie schlecht sie gelogen haben mochte, es
gab immer einen Teil von mir, der voller Dankbarkeit für diese Worte war und
sie dafür liebte.
Ich
holte eines von Dianas Kunstbüchern und informierte mich über Rubens. Ich las
das wenige, das dort über »Die kalydonische Eberjagd« stand, und studierte das
Bild genau. Dann legte ich das Buch zur Seite und ging in Gedanken Schritt für
Schritt die morgige Operation in der Oscars gate durch.
In
einer Wohnung in einem Haus mitten in der Stadt lief man natürlich Gefahr, im
Treppenhaus auf Nachbarn zu stoßen. Potenzielle Zeugen, die mich aus nächster
Nähe sehen konnten. Aber diese Begegnungen dauerten nur wenige Sekunden, zu
kurz, um Verdacht zu schöpfen. Sie würden sich mein Gesicht nicht merken, wenn
ich einen Overall trug und mir Zutritt zu einer Wohnung verschaffte, die gerade
renoviert wurde. Wovor hatte ich also solche Angst? Ich wusste, wovor ich
Angst hatte.
Es
war die Tatsache, dass er während unseres Gesprächs in mir gelesen hatte wie in
einem offenen Buch. Aber in wie viele Seiten hatte ich ihm Einblick gegeben?
Konnte er Verdacht geschöpft haben? Unsinn. Er hatte eine Verhörtechnik erkannt,
die er selbst beim Militär gelernt hatte, das war alles.
Ich
holte mein Handy hervor und wählte Greves Nummer, um ihm zu sagen, dass Diana
in der Stadt unterwegs war und ich ihm erst nach seiner Rückkehr aus Rotterdam
den Namen eines möglichen Gutachters nennen konnte. Greves Anrufbeantworterstimme
sagte: »Please leave a message«, und das tat ich. Die Bierflasche war leer. Ich
liebäugelte mit einem Whisky, entschied mich dann aber dagegen, denn ich wollte
morgen keinen Kater haben. Ein Bier noch, dann reichte es.
Ich
hatte die Flasche zur Hälfte ausgetrunken, als mir bewusst wurde, was ich gerade
tat. Ich nahm das Handy vom Ohr und brach den Anruf ab. Ich hatte Lottes Nummer
gewählt, die unter einem diskreten »A« im Adressbuch stand. Ein »A«, das mich
immer hatte zittern lassen, wenn es ganz selten einmal bei einem Anruf auf dem
Display erschienen war. Wir hatten die Vereinbarung getroffen, dass immer ich
sie anrief. Meistens jedenfalls. Ich öffnete das Handy-Telefonbuch, suchte das
»A« und drückte auf »delete«.
»Kontakt
wirklich löschen?«, erschien auf dem Display.
Was
für Alternativen: ein feiges, verräterisches »nein« und ein verlogenes »ja«.
Dann
drückte ich »ja«, wohl wissend, dass ihre Nummer ohnehin in meinem Kopf
gespeichert war und nicht so einfach gelöscht werden konnte. Was das
bedeutete, wusste ich nicht, ich wollte es auch gar nicht wissen. Aber sie
würde verblassen. Verblassen und verschwinden. Das musste so sein.
Diana kam fünf Minuten vor Mitternacht nach
Hause.
»Was
hast du gemacht, Liebling?«, fragte sie, kam zu mir, setzte sich auf die Lehne
des Sessels und gab mir einen Kuss.
»Nicht
viel«, erwiderte ich. »Ich hatte heute ein Gespräch mit Clas Greve.«
»Wie
ist es gelaufen?«
»Er
ist perfekt. Wenn man einmal davon absieht, dass er Ausländer ist. Pathfinder
hat deutlich gesagt, dass sie einen Norweger suchen. Sie haben sogar öffentlich
verlauten lassen, in allen Teilen norwegisch bleiben zu wollen. Es wird also
einiges an
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