Hear the Wind blow
bekommen wir eines Tages auch wieder Bären hierher, wäre das nicht toll ?«
»Herrlich«, sagte ich und warf einen verstohlenen Blick über die Schulter. »Kann’s gar nicht abwarten .«
Stille. Es war still im Wald... viel zu still. Unwillkürlich fiel mir der unsterbliche Dialog eines Dschungelfilms aus einer britischen B-Produktion ein: »Dieses höllische Getrommel der Eingeborenen, Carruthers ; hört es denn niemals auf ?« — »Mein lieber Freund, wenn es erst mal aufhört, dann haben wir Grund zur Sorge .« Nach noch einer Weile blieb Ricky plötzlich stehen und zeigte nach oben. Ich schaute hoch, aufs Schlimmste gefaßt. Ricky machte ein Vogelgeräusch, und ob Sie’s glauben oder nicht, der verdammte Vogel antwortete ihm.
»Ein Specht«, flüsterte er.
»Und warum klopft er dann nicht ?« flüsterte ich zurück. Ellena kicherte.
»Er hat sich seine Nisthöhle schon gebaut«, sagte sie.
»Ach ja, na klar«, sagte ich.
Wie Ricky schon gesagt hatte, war es nur ein Fußweg von ungefähr zehn Minuten. Als ich gerade einen großen Bogen um etwas machte, von dem ich vermutete, daß es vielleicht eine hochgefährliche Korallenschlange sei, was sich dann aber als ein Ast entpuppte, von dem ein Teil der Rinde abgeblättert war, bat er mich, einen Augenblick zu warten, und ging mit seiner Frau vor. Kurz darauf hörte ich, wie sie »Chico? Ich bin’s. Und Rico .« rief. Ricky tauchte fast sofort wieder auf und machte mir ein Zeichen vorzutreten. Nach ein paar Schritten konnte ich Chicos Heim durch die Bäume erkennen — eine kleine Hütte, etwa drei Quadratmeter groß, aus unbehandelten, verwitterten Baumstämmen, die grob zurechtgehauen waren, und einem Dach aus Teerpappe. Sie hatte keine Fenster, soweit ich es jedenfalls sehen konnte, aber die Tür stand halb offen. Auf dem Dach war eine Art viereckiger Holzkasten angebracht, der wahrscheinlich den obersten Teil eines Schornsteins darstellte. Eine Regenrinne, die jemand aus einem leeren Ölkanister gebastelt hatte, befand sich unterhalb des Dachvorsprungs. Ein paar Wäschestücke trockneten auf einer Leine, die zwischen zwei nahestehenden Bäumen aufgespannt war. Mehrere Tierfelle waren an der Vorderseite der Hütte festgenagelt. Ich konnte sehen, wie Ellena im Türeingang kniete und wie mit einem Kind sprach, das sie nicht erschrecken wollte.
Als ich Ricky eingeholt hatte, fragte ich ihn, wie er die Hütte jemals hatte finden können, so versteckt, wie sie gelegen war.
»Ich hab sie zufällig durch das Teleskop der Feuerwache entdeckt«, sagte er. »Sie können ihn von hier aus nicht sehen, weil inzwischen alles neu überwachsen ist, aber ganz weit da hinten steht irgendwo ein Feuerturm. Ich geh da ungefähr einmal im Monat rauf, um mein Reich zu überschauen und ein bißchen Geld beim Gin Rummy zu gewinnen. Chico hab ich auch einmal mitgenommen .«
Ellena stand auf, klopfte sich den Dreck von den Knien ihrer Hose und kam zu uns zurück. Sie sah verstört aus.
»Wie geht’s ihm ?« fragte Ricky.
» Malo «, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Er redet kaum, nicht mal mit mir. Ich habe ihm erzählt, daß du einen Freund mitgebracht hast, der mit ihm sprechen muß, daß es ernst ist, aber ich weiß nicht...«
»Gehen wir, Amigo«, sagte Ricky. Ich folgte ihm die paar Schritte zum Schuppen, dann traten wir ein, wobei ich mich reichlich bücken mußte. Drinnen war es dunkel und ein bißchen klamm. In einer Ecke befand sich ein Kamin, der aus Natursteinen errichtet worden war. Und, wie ich vermutet hatte, handelte es sich bei dem Holzkasten auf dem Dach um die Spitze eines schlau konstruierten, selbstgemachten Schornsteins. Er war, ebenso wie der Tisch und der Stuhl, das Bettgestell und zwei dreibeinige Hocker, die ebenfalls aus Holz waren, offensichtlich von jemandem hergestellt worden, der über beträchtliches handwerkliches Geschick verfügte. Auf dem Tisch stand eine Karbidlampe, neben dem Kamin stapelte sich Feuerholz. Daneben lag eine große Blechbüchse. Mehrere kleinere Blechbüchsen. Auf dem Bettgestell eine dünne Schaumgummimatratze, darüber eine ordentlich gefaltete Daunendecke. Eine Reihe Töpfe hing an Nägeln neben dem Kamin, ein anderer an einer Kette über der Asche. Eine Machete und ein Schleifstein lagen auf einem Regalbrett. Ein Paar Kerzenständer aus Holz. Bündel getrockneter Kräuter hingen an der Wand neben dem Feuer, außerdem ein Zopf aus Pilzen und einer aus getrockneten Pfefferschoten. Eine Wand war ausschließlich für
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