Hear the Wind blow
lächelte, als er daran dachte. »Er mochte es. Er wußte, wann ich kam. Er wartete immer .«
»Und was dann ?« fragte ihn Ricky.
»Dann habe ich die Schafe im Wald begraben. Ich habe mich geschämt .« Chico ließ wieder den Kopf hängen. Ricky fuhr ihm durchs Haar, nicht besonders sanft.
»Scheiße auch«, sagte er, »was sind schon ein paar blöde Schafe, stimmt’s , Mr. Daniel ?«
»Genau«, sagte ich. »Stinkviecher.«
»Aber paß auf, Chico, es kann schlimmen Ärger geben, wenn das noch mal passiert, und zwar für dich und mich und Ellena . Vielleicht schicken sie beim nächsten Mal nicht einen Freund von uns vorbei, wie Mr. Daniel hier, um die Sache zu untersuchen, vielleicht schicken sie nächstes Mal die Polizei, und vielleicht nimmt dich die Polizei dann mit, irgendwohin, wo du dein Haus nicht mehr hast und wir dich nicht besuchen dürfen. Ich weiß, daß du es immer wieder vergißt, wenn du so was getan hast, aber es muß aufhören .«
»Was sollen wir tun ?« fragte Ellena .
»Ich weiß es nicht«, sagte Ricky. »Vielleicht können wir ihn in eine andere Hütte umsetzen, eine, die so weit wie möglich im Norden liegt, vielleicht muß ich mit Tommy reden .«
Chico sah verängstigt aus.
»Genauso hübsch«, beruhigte ihn Ricky, »genauso groß, du kannst alle deine Sachen mitnehmen, und wir werden dich weiterhin besuchen, aber wenigstens bist du dann zwanzig Meilen von dem nächsten verdammten Schaf oder großen Fisch entfernt. Andererseits, ich weiß nicht. Was sind schon zwanzig Meilen, wenn man solche Anwandlungen kriegt ?«
Ricky blickte mich hilfesuchend an. Ich konnte ihm nicht viel Hilfe bieten, ich war sogar nicht mal sicher, ob ich überhaupt welche auf Lager hatte, genaugenommen hatte ich null Ahnung, was ich für pobre Chico tun könnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß es ihm im Krankenhaus besser gehen würde, selbst wenn das, worunter er litt, heilbar war, was ich bezweifelte. Ihn tiefer in den Wald hinein zu verfrachten würde ihn vielleicht eine Zeitlang vor Schaden bewahren, doch ich wurde den Gedanken nicht los, daß seine letzten Aktionen wirklich ein Hilfeschrei gewesen waren. Aber ich bin kein Seelenklempner, wie Sie vielleicht inzwischen schon vermutet haben, also was sollte ich sagen ? Vielleicht konnte ja ein richtiger Psychiater doch noch eine Lösung finden, das war immerhin ein Gedanke. Dann kam mir ein weiterer. Ich bat Ricky, Chico zu fragen, ob er auf seinen mitternächtlichen Streifzügen gelegentlich einen Hamburger im Ye Cat ‘n’ Fiddle mitgehen ließ.
»Hamburger, no «, sagte Chico. »Schokolade, sí .«
Dabei fiel mir etwas ein. Ich holte den Sechserpack Marsriegel hervor, den mir Ellena als Mitbringsel für Chico empfohlen hatte, und überreichte ihn ihm. Er sah ihn sich vorsichtig an, gab mir dann den gleichen zackigen Einmalhändedruck wie vorhin seinem Schwager und verstaute die Süßigkeiten vorsichtig in einer seiner Blechbüchsen.
Kurz darauf gingen wir. Ellena umarmte ihren kleinen Bruder. Ricky bat ihn, brav zu sein, er käme ihn in ein paar Tagen besuchen. Ich sagte: » Adios , Chico, suerte «, was »Viel Glück, Kumpel« bedeutet. Als wir drauf und dran waren, im Unterholz zu verschwinden, kam uns Chico mit einer seiner Vogelskizzen hinterhergerannt. Er gab sie mir, schüttelte mir abermals die Hand und rannte dann wieder zu seiner Hütte zurück. Ich hab die Zeichnung immer noch, in meinem Schlafzimmer übrigens. Sie stellt einen großen blauen Vogel dar, der seinen Schnabel in den Schnabel eines kleinen blauen Vogels gesteckt hat. Ich hab keinen Schimmer, was die beiden da treiben.
Auf dem Rückweg wurde nicht besonders viel gesprochen, weder im Dschungel noch auf der Fahrt Richtung Süden. Ricky erzählte mir aber auf meine Frage hin, daß Chico schon vorher Tiere getötet hatte, einmal einen Nachbarhund, als er bei den Castillos wohnte, weshalb sie ihn auch anderswo untergebracht hatten. Er sagte, daß Chico ungefähr alle sechs Monate durchdrehte, daß sich die Anfälle aber auch nicht häuften. Allerdings sei die Sache mit den Schafen das erste Mal gewesen, daß er mehr als ein Tier auf einmal getötet hatte, vielleicht nahm es doch allmählich überhand. Ob ich wüßte, daß Chico ein Eunuch sei? Ich sagte, daß mir der Gedanke schon gekommen sei. Dann fragte er mich, was wir meiner Meinung nach tun sollten.
»Wenn ich das wüßte«, sagte ich. »Ich bin mit einem Arzt befreundet, der ihn sich mal ansehen könnte, als
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