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Heart beats sex

Heart beats sex

Titel: Heart beats sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Driest
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die Haare, zerrte und zurrte, und als
sich meine Finger lösten, griff ich nach zwei der Vokabeln – »Redlichkeit« und »Selbstzucht« –, doch als ich sie einfügen wollte, stürzte das ganze Gemäuer zusammen und hinterließ nichts als eine Staubwolke, die wie ein großer Pilz aufstieg und sich ausdehnte.
    Aus diesem schlechten Traum reckte ich mich hoch, stand auf, um mich gegen solche Staubgespenster zu wehren, ging einige Male stramm auf und ab und beschloss in einem Anfall von heroischer Nüchternheit, mir selbst eine ganz realistische Frage zu stellen.
    Zu Hause bleiben oder das Auto klauen?
    Wieder ging ich auf und ab, um dieses Problem zu lösen. Ich hatte es bei Papi bereits mit Ulyas Geburtstag versucht. Ich hatte gehoft, er würde mich dort hinlassen und Justin würde mich fahren. Aber Papi hatte gleich nach meinen Prioritäten gefragt – ganz oben stand Spanisch, ganz unten Ulyas Geburtstag – und mich nach dieser enttäuschenden Einsicht mit den Worten zu trösten versucht: »Wenn du dein Spanischpensum abgeschlossen hast, kannst du Ulya doch jeden Tag sehen.«
    Ja, später kann man alles haben, wenn man jetzt auf alles verzichtet. (Hatte er das je überprüft? War er sich sicher, dass diese Logik stimmte?) Wie auch immer – ich wollte Ulya gar nicht jeden Tag sehen, ich wollte Liam heute sehen!
    Ich bestand aber nicht auf der Geburtstagsfeier, weil Papi oder Anna sonst vielleicht noch Ulyas Mutter angerufen hätten, um enttäuscht herauszufinden, dass Ulya schon im Januar Geburtstag hatte und dass das schon eine Weile her war.
    Was nun, was tun?
    Zu Hause bleiben oder das Auto klauen?
    Wenn ich daran dachte, wurde mein Mund trocken, und mein Herz schlug bis zur Kehle. Wenn ich das wirklich wollte,
müsste ich mich schon bald in Papis Schlafzimmer schleichen, um das Fenster zur Hofseite zuzumachen, damit er das Geräusch des anspringenden VWs nicht hören würde.
    Aber gut, angenommen, das hätte geklappt – was würde auf mich warten, wenn ich mich mit dem Wagen unten auf der Asphaltstraße eingefädelt hätte? Wie ein Blitzlichtgewitter kamen die Vorstellungen und versetzten mich in Angst und Schrecken. Lichter flammten auf, Verkehrsschilder und schreckliche Unfälle.
    Um mit den schlechten Vorahnungen fertigzuwerden, musste ich mit jemandem reden. Jemand, der Verkehrserfahrung und Verantwortungsgefühl hatte. Ich dachte daran, Tante Alexis anzurufen, die mir bislang stets bei allem Schlimmen beigestanden hatte. Ich tat es auch, erreichte sie aber nicht.
    Das Ganze duldete keinen Aufschub, ich musste mich vorbereiten, weil ein Ausflug in Justins VW die einzige Möglichkeit war, heute Nacht meine Freunde Ulya, Adrian, Sheila und Hank zu treffen.
    Ich rief Mami an, ob sie wisse, wo ihre Schwester zu erreichen sei. Wusste sie nicht, aber vielleicht war sie sowieso die bessere Gesprächspartnerin in dieser Situation, denn neuerdings hatte ich oft Sehnsucht nach ihr und wünschte, dass sie mich im Arm hielt.
    Sie freute sich, obwohl sie ihre Freude eigentlich nicht wirklich zeigte. Doch so war sie nun mal, und das war auch okay für mich. Ich versuchte, ihr erst einmal meine Situation zu verklickern und fing mit Ulyas Geburtstag an.
    Sie unterbrach mich gleich und sagte, das ist doch schön, da soll ich auf jeden Fall hingehen.
    Sie lachte, als ich ihr erklärte, dass Ulya gar nicht Geburtstag habe, sondern dass ich das nur als Ausrede benutzen
wollte, um hier wegzukommen. Ich wusste, worüber sie lachte: Sie hatte immer darunter gelitten, dass Papi glaubte, sie hätte versagt, was meine Erziehung anbetrifft, und nun freute sie sich, dass er ebenfalls die Arschkarte kriegte. Wir lachten beide, und dann musste ich ihr Liam beschreiben. »Groß, schlank, edel.« Super, dass sie über ihn genauso entzückt war wie ich.
    Sie fragte mich, wie ich denn dahin komme, und da ich ihr die Umstände hier schon genau beschrieben hatte, wusste sie, dass es nur die Möglichkeit mit dem Auto gab. Abgeholt werden oder selbst fahren.
    »Ich möchte selbst fahren«, sagte ich, »aber Justin gibt mir sein Auto nicht.« Sie schwieg eine Weile, weil sie sich im ersten Moment nicht erklären konnte, wieso ich mit siebzehn schon den Führerschein hatte. Sie traute aber Papi allerlei Schachzüge zu und dachte, vermutlich wäre dies auch schon wieder so eine Sache, die er gedeichselt hatte. Ihrer Meinung nach steckte er hinter allem, was übertrieben war.
    Als sie das verdaut hatte, fragte sie: »Wie fährst du denn?«

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