Heartbreak-Family – Als meine heimliche Liebe bei uns einzog (German Edition)
Rhythmische Sportgymnastik gemacht und konnte nicht nur Spagat links und rechts, sondern auch eine spektakuläre Drehung einmal um die eigene Körperachse. Insgeheim hatte ich gehofft, Ken heute damit zu beeindrucken. Aber daraus würde nun nichts werden.
Stattdessen würde Merrie tanzen, und alle würden ihr zusehen. Sie würde den ganzen Applaus bekommen. Auch den, der eigentlich mir galt. Mit ihren langen Beinen und den geschmeidigen Schritten, den langen schwarzen Korkenzieherlocken und dem schneeweißen Lächeln. Merrie war nicht nur feuerrot, sie loderte.
Dabei war ich zuerst beim Streetdance. Sie kam erst nach unserem Auftritt beim Maschseefest im Sommer dazu, als wir mit einem großen Foto in der Zeitung standen. Das konnte sie natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Die Tanz-AG in der Zeitung ohne Merrie!? Das durfte nicht sein. Und dann drängte sie sich so geschickt in den Vordergrund, dass sie auch sofort ein Solo bekam. Frau Meisner, unsere AG-Leiterin, merkte überhaupt nicht, wie sie von Merrie um den Finger gewickelt wurde.
Bei der Generalprobe hatte sie mir, natürlich nur aus Versehen, ein Bein gestellt, so dass ich ins Straucheln geriet, und sich dann zigmal entschuldigt, damit es keiner merkte.
Und jetzt hatte sie genau das erreicht, was sie wollte. Insgeheim gab ich meiner Mutter nun doch recht.
»Jannah, du spinnst mal wieder!«, lachte Lou, als ich Merrie für meine Verletzung verantwortlich machte. »Das ist übelster Aberglaube aus dem Mittelalter! Lass das mal!«
»Das sagst du nur, weil dir das noch nicht passiert ist«, beharrte ich. »Du hast einfach keine Ahnung von so was!«
»Hallo, Jannah!« Lous Stimme wurde eindringlich. »Wach auf! Es gibt keinen bösen Blick, so was gab es nie und wird es auch nie geben! Merrie mag ja zickig und eingebildet sein, aber sie ist weder hinterhältig, noch hat sie Macht über dich! Du bist selbst schuld, weil du deine Brille nicht trägst!«
Das war nicht das, was ich hören wollte. Dieses Mal musste einfach was dran sein!
»Pfhh«, machte ich gereizt. »Trotzdem!«
»Jetzt hör endlich auf!«, sagte Lou ungeduldig. »Das ödet mich an. Lass uns lieber besprechen, wo wir uns nachher treffen. Wir gehen doch trotzdem zum Fest, oder kannst du gar nicht laufen?«
»Ich soll eigentlich nicht«, sagte ich. »Aber egal. Es wird schon gehen. Treffen wir uns um zwei am Baum?«
»Jep! Endlich ein vernünftiges Wort, Abla!«
Die Cafeteria an unserer Schule war ein besonderer Ort. Als im vergangenen Jahr der Aufruf an alle Eltern ging, bei der Modernisierung der Schulküche mitzuarbeiten, hatten sich tatsächlich einige gefunden. Unter anderem ein Innenarchitekt, eine Künstlerin und mehrere Tischler und Maler. Das Ergebnis war der Hammer. Das sagte jeder, der diesen Raum zum ersten Mal sah. Alle Wände waren nach den Entwürfen der Künstlerin passend zu den vier Jahreszeiten gestaltet. Jede Ecke hatte ein eigenes Thema und darauf abgestimmte Farben. Obst, Gemüse, Pflanzen und Blätter waren aus bemalten Stoffen oder Gips gemacht und plastisch in die Wände eingearbeitet. Aus manchen leuchtete Licht. Es war der einzige Raum in der Schule, an dem nicht getaggt wurde. Ob das an der Atmosphäre lag oder daran, dass die Wände ohnehin alles geschluckt hätten, wusste ich nicht.
Lou und ich saßen am liebsten in der Sommerecke, in der ein großer echter Baumstamm seine Äste über einen aufgemalten grünblauen Seerosenteich streckte. Am unteren Ende, im Schilf versteckt, plätscherte Wasser von einem Steinbecken in ein anderes, so dass man fast das Gefühl hatte, wirklich am See zu sein. Davor lagen vier dicke Sitzsäcke in Form von überdimensionierten Erdbeeren, Pfirsichen und Melonen, die immer besetzt waren.
Als ich um kurz vor zwei ankam, hatte ich Glück. Die Cafeteria war zwar schon ziemlich voll, aber Neo und sein Freund Yunus, zwei Jungs aus der Elften, standen gerade auf. Sie hatten neben May und Frida aus meiner Klasse gesessen, die auch in der Tanz-AG waren. Neo schmunzelte und machte eine einladende Handbewegung zum Sitz hin. Ich glaube, er mochte mich. Schon öfter hatte ich ihn dabei ertappt, wie er mich in der Pause beobachtete.
Er sah nicht schlecht aus. Nicht so süß wie Ken natürlich, aber irgendwie hatte er was.
»He, Jannah!«, lächelte May. »Treffen ist um 15 Uhr 30 im Klassenraum. Frau Meisner will uns vor dem Auftritt noch was sagen.«
»Hi. Ja, ich weiß«, sagte ich und ließ mich in die Erdbeere fallen, »aber ich
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