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Heaven (German Edition)

Heaven (German Edition)

Titel: Heaven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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einmal eine himmlische Macht helfen konnte. Entsetzt betrachtete ich den Linoleumfußboden und die staubigen Vorhänge. Alles war, um es positiv auszudrücken, mehr als einfach. Die Betten waren abgezogen und bestanden aus nichts weiter als zwei fleckigen blassblauen Matratzen auf klapprigen Holzrahmen. Die gestrichenen Wände waren nackt, und das spaghettiartige Muster an der Decke erinnerte mich an ein Gefängnis. Als meine Geschwister eintrafen, musterten auch sie schweigend den Raum. Ivy wollte sich auf einen der Plastikstühle setzen, die vor dem eingebauten Schreibtisch standen, überlegte es sich dann aber doch wieder anders und blieb stehen.
    «Du weißt, dass du das Ganze mit einem Fingerschnippen in Ordnung bringen kannst», sagte ich zu Gabriel und stellte mir vor, wie schnell er das Zimmer von einer Zelle in eine Hotelsuite verwandeln könnte.
    «Ja, stimmt.» Mein Bruder lächelte selbstgefällig. «Aber das wäre nicht der Sinn der Sache.»
    «Und der wäre?»
    «Authentische College-Erfahrung.»
    Ich zog eine Grimasse und untersuchte vorsichtig einen verdächtigen Fleck auf der Matratze.
    «Ich glaube, ich brauche ein bisschen Desinfektionszeug.»
    Xavier fing an zu lachen und küsste mich aufs Haar.
    «Warte einen Moment», sagte er und begann die Betten so zu verschieben, dass sie an der Wand standen und damit die Illusion von mehr Platz vermittelten.
    «Was denkst du? Ist es besser so?»
    «Macht für mich keinen Unterschied.» Ich zuckte die Achseln. «Aus einem Zimmer wie diesem kann man nichts machen.»
    «Wenn du dich da mal nicht irrst», sagte Xavier. «Manche Mädchen geben alles. Sie bocken ihre Betten auf, verlegen Teppich, und manche beschäftigen sogar einen Innenausstatter.»
    «Das glaube ich nicht. Das ist doch verrückt.»
    «Das ist College-Leben.»
    «Oh Hilfe», sagte ich. «Vielleicht bin ich doch noch nicht so weit.»
    «Willkommen bei den Erstsemestern», sagte Gabriel. «Viel Erfolg.»
    «Wie – ihr geht schon?», fragte ich überrascht.
    «Wir können nicht bleiben», sagte Ivy. «Wir sind zu leicht aufzuspüren.»
    «Und ich nicht?»
    «Die Menschenwelt schirmt dich ab.»
    «Ach ja?»
    «Natürlich», sagte Gabriel. «Du verhältst dich wie ein Mensch, du denkst wie ein Mensch, du fühlst sogar wie ein Mensch. Deshalb kannst du bei ihnen untertauchen.»
    «Aber …» Sie durften einfach noch nicht gehen. Ich war noch nicht so weit. «Wir brauchen euch.»
    «Keine Angst, wir bleiben in der Nähe.»
    Ivy wandte sich zum Gehen, Gabriel aber zögerte und biss sich auf die Unterlippe, als ob er etwas sagen wollte, aber nicht so recht wusste, wie er es ausdrücken sollte.
    «Alles in Ordnung?», fragte ich. Er ignorierte mich und sah stattdessen meine Schwester an. Sie wechselten einen Blick, und ohne ein Wort sagen zu müssen, wusste Ivy, was in ihm vorging. Was immer es war, schien ihm Unbehagen zu verursachen. Trotzdem holte er schließlich tief Luft und platzte einfach damit heraus.
    «Erinnert ihr euch an den Rat, den ich euch vor ein paar Tagen gegeben habe?»
    Gab er sich mit Absicht so kryptisch? «Nein», sagte ich. «Du gibst nämlich ziemlich viele Ratschläge.»
    «Es ging um den Segen der Abstinenz», sagte Gabriel schwer seufzend.
    «Ach, das meinst du. Was ist damit?»
    «Ihr dürft den Rat ignorieren.» Gabriel spürte Xaviers verwirrten Blick und zuckte die Achseln.
    «Ähm …» Ich fühlte mich etwas unwohl dabei, mein Sexualleben mit meinem Bruder zu diskutieren. «Wie kommt der Sinneswandel?»
    «Ich sehe keinen Sinn mehr in dem Verzicht. Es ist ohnehin zu spät, der Himmel lässt sich nicht mehr besänftigen. Langsam ist es an der Zeit, dass wir nach unseren Regeln spielen.»
    «Und was ist mit der ganzen ‹Kein-Öl-aufs-Feuer-schütten›-Theorie?», erinnerte ihn Xavier.
    «Ich habe genug von Strategien. Was sie können, können wir auch.»
    Xavier und ich sahen Gabriel mit offenem Mund hinterher, der sich umdrehte und den Flur hinunterlief, bis er einen Moment später verschwunden war. Ohne meine Geschwister fühlte ich mich plötzlich unbehaglich. Xavier saß stocksteif mit den Händen auf den Knien an einem Ende des Bettes, während ich schnurstracks auf den Schrank zuging und mich geschäftig daranmachte, meine Klamotten einzuräumen. Alles nur, um dem Gespräch aus dem Weg zu gehen, das jetzt im Raum stand. Ich fragte mich, was Xavier wohl im Kopf herumging. Mir kam es vor, als hätten wir gerade einen Hungerstreik beendet, jetzt aber Angst, den

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