Heaven (German Edition)
gehen.»
«Cousins hätte es auch getan.»
«Und wo wäre da der Unterschied? Keine Sorge, es ist doch nur zum Schein. Wenn wir alleine sind, können wir ganz wir selbst sein.»
«Und du glaubst, am College haben wir viel Zeit zu zweit?», fragte Xavier zweifelnd.
«Wir werden uns schon daran gewöhnen», sagte ich leichthin.
«Du glaubst also, ich gewöhne mich daran, ein Verbindungsstudent ohne Freundin zu sein?», feixte Xavier. «Wenn das mal kein Durcheinander gibt.»
«Du bist ein Verbindungsstudent auf der Flucht», erinnerte ich ihn. «Ich an deiner Stelle würde mich unauffällig verhalten.»
Wir waren kaum in der Nähe der Wohnheime angekommen, als mir bereits klar wurde, wie sehr ich hier auffiel. Nicht weil ich ein Engel war, sondern einfach wegen meiner völlig unpassenden Kleidung. Zwischen all den Nike Shorts und weiten T-Shirts, die die anderen Mädchen trugen, wirkte mein Sommerkleid mit Blümchenmuster und Rüschensaum wie ein Fremdkörper. Jeder, der an mir vorbeilief, warf mir einen Blick zu. Wenn man bedachte, dass wir nicht auffallen wollten, war dies ein ziemlich schlechter Start.
In meinem Wohnheim hielt ich einer Frau, die einen Karton voller Kissen und Bilderrahmen in der Hand hielt, die Fahrstuhltür auf.
«Oh, ich kann warten», sagte sie entschieden. «Du bist so hübsch angezogen, ich möchte dich nicht schmutzig machen.»
Xavier unterdrückte ein Grinsen, als sich die Tür hinter uns schloss. Im Gegensatz zu mir passte er mit seinem blauen Polohemd und den beigefarbenen Shorts perfekt hierher. Er sah mich an und schüttelte den Kopf.
«Mir hat keiner gesagt, dass es hier einen Dresscode gibt», brummelte ich.
«Du hast wirklich noch gar keinen Plan, wie es am College läuft», sagte er.
«Schlimmer als die Highschool kann es auch nicht sein», erwiderte ich trotzig. Xavier drückte den Knopf für den neunten Stock, wo sich mein Zimmer befand.
«Also gut. Dann erklär mal folgenden Ausdruck: Freshmen Fifteen .»
«Kein Problem», sagte ich empört. «Mit Freshmen Fifteen bezeichnet man eine Gruppe von fünfzehn Studenten, die alle die gleichen Interessen haben oder …»
«Falsch.» Xavier lachte. «Nicht im Geringsten.»
«Was ist es dann?»
«Man spielt damit auf die fünfzehn Pfund an, die Erstsemester im ersten Studienjahr zunehmen, weil sie zu viel Bier trinken und Brathähnchen essen.»
Ich zog eine Grimasse. «Es gibt hier also ein Problem mit dem Essen?»
«Scheint ein generelles Problem auf dem College zu sein, aber mach dir keine Sorgen. Wir finden für dich schon etwas Gesundes.»
Mir fiel auf, dass wir seit unserer Ankunft an der Ole Miss kein Wort über die Sieben Reiter und unsere Situation gewechselt hatten. Was für eine Erleichterung, all das für einen Moment zur Seite zu schieben! Xavier machte wieder Witze und dachte über ganz gewöhnliche Dingen nach, wie zum Beispiel über die Frage, wo sich wohl der Sportplatz befand.
Ich konnte mich der Hoffnung nicht erwehren, dass ein neuer Lebensabschnitt vor uns lag, auch wenn sich in Wirklichkeit natürlich nichts geändert hatte. Wir waren noch immer auf der Flucht, und es war nur eine Illusion, dass wir wieder ein normales Leben führten, auch wenn ich mir unter all den anderen Studenten beinahe so vorkam.
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8
Die Mitbewohnerin
Das Wohnheim war nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Wie ich mit den Gemeinschaftsduschen klarkommen sollte, wusste ich zwar noch nicht, aber irgendwie würde mir schon etwas einfallen. Als Xavier mit meiner schweren Tasche über der Schulter lässig den Gang entlanglief, warfen ihm die anderen Mädchen heimlich bewundernde Blicke zu. Wie froh ich war, dass er hier war, um mir zu helfen, wie dankbar, dass wir gemeinsam aufs College gehen durften! Sein resoluter Gang und sein selbstbewusstes Auftreten wirkten so ganz anders als all die nervösen Blicke und ängstlichen Fragen, die überall um uns herum ausgetauscht wurden. Viele der anderen Mädchen wirkten überfordert und sahen jedes Mal hoffnungsvoll auf, wenn jemand vorbeikam.
«Hallo», grüßte Xavier in die Runde und hob leicht die Hand. Die Mädchen lächelten schüchtern, wichen seinem Blick aus und fummelten an ihren Haaren herum.
Mein Zimmer lag ganz am Ende des Ganges. Xavier erklärte mir, dass diese Eckzimmer immer etwas größer waren als die anderen, und ich fragte mich, ob Ivy wohl Einfluss darauf genommen hatte. Doch nach dem ersten Blick wusste ich, dass hier nicht
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