Heaven (German Edition)
abzuhalten. Die stummen Tränen, die mir die Wangen hinabliefen, waren offensichtlich ein Zeichen für sie, mich allein zu lassen. Es war dunkel hier unten, und ich nickte immer wieder kurz ein, schreckte aber beim kleinsten Geräusch oder dem Hauch einer Bewegung auf. Jedes Mal, wenn ich die Augen öffnete, hatte ich das Gefühl, dass sich auf dem Bett etwas körperlich verändert hatte. Xaviers Wangen wirkten hohler, und sein Mund nahm einen missmutigen Zug an, den ich nicht an ihm kannte. Doch ich sagte mir, dass die Finsternis im Keller meinem Gehirn lediglich einen Streich spielte.
Als ich den ersten Hahnenschrei aus einem der Nachbargärten hörte, wusste ich, dass der Morgen angebrochen war. Auch Xavier wurde davon wach und öffnete die Augen. Als er mich ansah, wusste ich es sofort: Seine Augen waren zwar noch immer hell und klar und blau, aber es waren nicht die seinen. Seine Stimme klang kehlig und so ganz anders als seine, und ich zuckte unwillkürlich zusammen, als er mich ansprach.
«Was für eine hübsche Verpackung.»
«Was?» Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte, und rückte etwas näher an ihn heran.
«Dies alles.» Er hob das Kinn und sah an seinem Körper hinab. «Es ist nahezu eine Schande, ihn zu ruinieren.»
«Du …» Wut stieg in mir auf, doch alles, was ich ihm sagen, ihm entgegenschreien wollte, schien mir im Hals stecken zu bleiben, und ich bekam kein Wort heraus. Xavier war fort, ein anderer hatte Besitz von seinem Körper ergriffen und prahlte damit.
«Hat es dir die Sprache verschlagen?» Er lächelte und rasselte an den Ketten, die ihn festhielten, als wäre es Spielzeug. Seine Stimme hatte einen leichten texanischen Einschlag. «Schön, dich wiederzusehen, kleiner Engel. Du hast das alles prima hingekriegt. Ich fühle mich richtig wohl. Ehrlich gesagt fühle ich mich so wohl, dass ich vielleicht sogar bei dir bleibe.»
«Das wirst du nicht», sagte ich so ruhig, dass es mich selbst überraschte.
«Ach, tatsächlich? Und was macht dich da so sicher?»
«Du kannst versuchen, was du willst, aber du wirst nicht gewinnen», sagte ich herablassend. «Nicht gegen uns.»
«Kommt drauf an, wie man gewinnen definiert.» Er klang immer gehässiger. «Ich bin doch hier drin, oder etwa nicht?»
«Nicht mehr lange.» Ich zuckte die Achseln, aber mein sorgloses Gehabe schien ihn nicht zu irritieren. Vermutlich konnte man den Teufel nicht so leicht beeindrucken.
«Du wirst dich noch wundern, wie hartnäckig ich sein kann.»
«Gabriel ist ein sehr mächtiger Erzengel», sagte ich. «Er nimmt sich deiner nachher an. Vielleicht solltest du einfach jetzt schon aufgeben, denn du hast sowieso keine Chance.»
«Mein Bruder wird sich um dich kümmern. Wir müssen dem armen Xavier helfen, weil ich ihn sooo sehr liebe.» Seine schrille Stimme und das bittere Lachen klangen wie Peitschenhiebe. «Meine liebe Bethany, deine Naivität ist einfach entzückend. Ich habe sehr wohl eine Chance, und weißt du auch, warum? Weil ich nicht aufgeben werde. Und solange ich hier bin, ist dein kleiner Freund meiner Gnade ausgeliefert. Ich würde euch nicht empfehlen, mich hier gewaltsam rauszuholen. Ich könnte hier drinnen ziemlichen Schaden anrichten, und das meine ich so, wie ich es sage.»
Xaviers Kopf schwankte von einer Seite zur anderen, als versuchte er, aus einem Albtraum zu erwachen. Er hatte die Augen geöffnet, aber sie blickten ins Leere. Plötzlich bäumte er sich auf, als würden ihn heftige Krämpfe oder schlimme Schmerzen überfallen. «Siehst du, was ich meine?»
«Xavier!», schrie ich und fasste nach seiner Brust.
«Tut mir leid, Xavier ist im Moment nicht zu Hause. Kann ich etwas ausrichten?» Luzifer lachte über seinen eigenen Witz.
«Er kann mich nicht hören», murmelte ich leise.
«Oh doch, das kann er», erwiderte Luzifer vergnügt. «Nur antworten kann er nicht. Vergiss nicht, es ist immer noch sein Körper. Er spürt alles … und wie.»
Ich suchte in Xaviers Gesicht nach einem Zeichen des Erkennens, fand aber nichts.
«Was tust du ihm an?», fragte ich.
«Ich ziehe nur die Fäden.»
Ich ballte die Hände zu Fäusten. Es gab keine Worte, die ausdrücken konnten, wie sehr ich ihn verachtete, doch ich wusste, dass ich Xavier keinen Gefallen tun würde, wenn ich ihm das sagen würde. Ich musste versuchen, meine Sinne zusammenzuhalten.
«Ich weiß, dass du wütend auf mich bist», sagte ich daher flehentlich. «Also lass deinen Ärger an mir aus. Üb an
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