Heaven (German Edition)
ich mich nach Xavier um. Er starrte weiterhin unbeweglich und ohne zu blinzeln an die Decke. Als wir oben waren, blieb ich stehen.
«Und wenn etwas passiert?»
«Das würden wir hören, das verspreche ich dir.»
«Also gut», sagte ich barsch. «Aber lass uns schnell machen.»
Aber es ging nicht schnell. Eigentlich kannte ich meine Geschwister gut genug und hätte daher wissen müssen, dass überstürzte Aktionen nicht ihre Sache waren. Es war eine heikle Situation. Das menschliche Leben war fragil und die Dämonen zerstörerisch. Ein einziger Fehler konnte uns alles kosten. Während ich immer entmutigter wurde, hantierte Ivy in der Küche herum und mixte in aller Ruhe eine Kräuterlösung zusammen, pflückte Blättchen von kleinen Sträuchern und kochte sie in heißem Wasser auf. Gabriel wühlte in den Schränken herum und zog weitere Salzpackungen heraus, die er auf der Arbeitsplatte aufstellte. Beide kamen mir eher vor wie exzentrische Hexenmeister als wie Engel, deren Macht stark genug war, den Dämon aus Xavier zu verbannen.
«Es würde ihn töten», sagte Gabriel, der meine Gedanken las. «Wenn wir versuchen, ihn herauszuziehen, wäre es für ihn, als würden wir Wundnähte aufreißen. Diesen Schmerz würde er nicht überleben. Wir müssen den Dämon vorher schwächen.»
«Also gut», sagte ich matt. Was sollte ich dagegen auch sagen? Ich spitzte weiter die Ohren, um jedes Geräusch aus dem Keller aufzufangen, aber alles, was ich hörte, war Xaviers Atem, der jetzt gleichmäßiger klang als vorher. Ich hoffte, dass er vor Erschöpfung eingeschlafen war. Der Gedanke, dass er da unten angekettet lag, gefangen in seinem eigenen Körper, brachte mich fast um.
«Wir brauchen Unterstützung», sagte Gabriel nachdenklich. Es klang so beiläufig, als ob wir gerade diskutierten, was wir heute zu Abend essen wollten.
«Ganz meiner Meinung», sagte Ivy, der die Vorstellung allerdings mehr Unbehagen zu bereiten schien.
«Aber ihr seid doch beide hohe Tiere! Schafft ihr das nicht allein?»
«Normalerweise schon. Aber dieser Fall ist anders.»
«Wieso?», fragte ich. Gabriel schenkte mir einen ungeduldigen Blick.
«Das müsstest du eigentlich selbst wissen.»
«Du meinst, weil er es selbst ist?»
Ich wusste nicht, warum ich seinen Namen nicht aussprechen konnte. Vielleicht waren dieser Name und alles, was damit zusammenhing, einfach zu unerträglich, um ihn über die Lippen zu bringen. Vielleicht hatte ich auch Angst, dass zu viele Erinnerungen auf mich einströmen würden, wenn ich seine Gegenwart anerkannte. Ein Teil von mir hatte noch immer die kindliche Vorstellung, dass das Böse nur in meiner Vorstellung existierte, solange es keinen Namen hatte. Doch so oder so, ich musste mich zusammenreißen, um Xaviers willen. Auch wenn es unerträglich war, dass der Mensch, den ich mehr liebte als alles auf der Welt, und das Wesen, das ich mehr als alles verachtete, in einem Körper vereint waren. Was sollte ich fühlen, Liebe oder Hass?
Gabriel brauchte eine Weile, um zu antworten, als ob er versuchte, seine Worte mit Bedacht zu wählen.
«Weil wir auf keinen Fall versagen dürfen.»
«Was soll das heißen?»
«Wenn wir versagen, wird Xavier die Sache vielleicht nicht überleben.»
Mit einem Schlag schwiegen all meine Gedanken, und die Welt schien kurz stillzustehen. Doch ich kam gleich wieder zu mir.
«Warum solltet ihr versagen? Dämonenaustreibung ist doch euer Spezialgebiet. Das macht ihr doch häufiger!»
«Ja.» Gabriel zögerte. «Aber nur durch die Kräfte, die uns von oben gegeben sind.»
Endlich lichtete sich der Nebel. «Oh, ich verstehe!» Meine Hände ballten sich zu Fäusten. «Wegen alldem, was in letzter Zeit passiert ist, bist du dir nicht mehr sicher, ob ihr Rückhalt habt.»
«So könnte man das ausdrücken.»
«Der Himmel ist also nicht auf unserer Seite. Und damit sind wir ziemlich verletzlich.»
«Das wissen wir nicht so genau», sagte Ivy. «Möglicherweise gibt es noch Verbündete.»
«Und wer soll das sein?», murmelte ich, woraufhin meine Schwester die Augenbraue hob.
«So darfst du nicht denken.»
«Wir sind Verstoßene.» Ich versuchte, meine Stimme unter Kontrolle zu behalten. «Niemand wird uns helfen! Warum auch?»
«Weil wir eine Familie sind.»
«Wir sind am Ende!», murmelte ich.
«Wo ist dein Glaube geblieben?», merkte Gabriel überrascht an.
«Wo wohl? Gott scheint uns verlassen zu haben.»
«Das sind die Momente, in denen du deinen Glauben am dringendsten
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