Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
aufgetreten und für einen Adelstitel vorgeschlagen war. Auf den Bildern sah er wie der typische Business-Mensch aus, sehr elegant, sehr zugeknöpft, sehr verbissen und stinkreich. David musste daran denken, wie Heaven über die Bilanzberichte gestöhnt hatte. Das passte.
    Er klickte auf eines der Videos. Sofort öffnete sich ein Fenster. »Wir sind nicht nur Unternehmer, die irgendwelche Dinge herstellen«, sagte Juno Sims dem Interviewer. Er war auffallend hager und seine blauen Augen blickten hinter der goldenen Lesebrille so konzentriert, als wolle er den Zuschauern unbedingt seine Meinung aufzwingen. »Nein, wir müssen auch lernen, Verantwortung zu übernehmen.« Er schaute direkt in die Kamera. »Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die wir nicht ignorieren dürfen. Sims Enterprises produziert seine Stoffe ausschließlich in Schottland und Wales. Englische Produkte sollten im Inland hergestellt werden, von heimischen Arbeitern.« Er berichtete von seiner Kindheit in einem typischen Arbeiterviertel in Yorkshire und betonte, dass jeder Mensch auf dieser Welt eine Chance bekommen musste.
    David verdrehte die Augen und klickte sich aus dem Video. Okay, okay, nicht nur ein Geldsack, sondern auch noch ein Heiliger. Er hatte sich aus dem Sumpf herausgearbeitet und ging nun in seinem Armani-Anzug als Gutmenschdurchs Leben. Genauso verlogen, wie die Leute in Cardiff auch. Nur auf etwas anderem Niveau.
    David kehrte zu den Bildern zurück, die Heaven mit ihren Freundinnen am Trafalger Square zeigten.
    Er saß ruhig da und schaute sie einfach nur an. Sie saß auf dem Löwenkopf am Denkmal, ließ die Beine baumeln und lachte in die Kamera.
    Irgendwo rauschte die Toilettenspülung. Mike erschien hinter ihm. »Deine Neue?«, fragte er.
    »Nein.« David war wortkarg.
    »Was ist mit der scharfen Braut, mit der ich dich letztens im
Train
gesehen habe?«
    »Hat sich erledigt.«
    »Sean meinte, sie sei deine Sozialarbeiterin gewesen.«
    »Sean ist ein Arschloch.«
    Mike grinste. »Aber ein Arschloch, das den Plan hat.«
    David drehte sich im Stuhl um und funkelte ihn an. »Mittlerweile hat es wohl der allerletzte Typ in London mitbekommen, dass sie meine Sozialarbeiterin war. Na und?«
    Mike zuckte die Achseln, hob beschwichtigend die Hände. »Nichts.«
    »Gut.«
    Eine unangenehme Pause breitete sich aus.
    Mike deutete auf den Bildschirm. »Im Ernst, Davy, wer ist sie?« Er klang fast kleinlaut, versöhnlich.
    »Ich habe sie gestern kennengelernt.«
    »Sieht scharf aus.«
    Etwas störte ihn an der Art, wie Mike das sagte. Trotzdem – er erwiderte nichts, weil er wusste, dass Mike es nicht böse meinte.
    »Seid ihr zusammen?«
    »Mike! Wir kennen uns erst seit gestern.«
    »Du hast bei der Sozialarbeiterin doch auch nichts anbrennen lassen, oder?«
    »Sie ist nicht Kelly.« David spürte, wie die Wut zurückkehrte.
    Mike nickte. »Du musst es ja wissen.«
    »Ja«, sagte David entnervt, »muss ich wohl.«
    Mike nahm das zur Kenntnis. »Kaffee?«, fragte er.
    »Gerne.«
    Er ging in die Küche. Zwei Minuten später kehrte er mit den Tassen zurück.
    »Du siehst aus, als hättest du irgendwie Ärger am Hals.«
    »Nicht wirklich.«
    »Du solltest aufpassen.«
    »Sagt wer?«
    Mike war noch immer auf Bewährung, weil er erwischt worden war, wie er in den Clubs im East End Muntermacher an Minderjährige verkauft hatte. »Ich pass schon auf.«
    Eine Weile saßen sie schweigend da. Mike sah aus wie immer, noch fertig von der Nacht.
    »Hast du eigentlich noch Kontakt zu deiner Schwester?«, fragte er irgendwann.
    »Nein.«
    »Du hast wirklich alle Brücken hinter dir abgebrochen.«
    David nickte. Er stand auf. »Ich muss los.«
    Mike boxte ihm zum Abschied gegen die Schulter. »Pass auf dich auf.«
    »Ich werde nichts tun, das du nicht auch tun würdest.«
    Mike sagte ernst: »Das meine ich ja, Mann. Genau das.«
    Beide lachten.
    Dann verließ David die Bude und machte sich auf den Weg nach Richmond.
    Richmond lag zwanzig Kilometer entfernt von London. Die kleine Ortschaft war mühelos mit der District Line zu erreichen, doch da David seine Abneigung gegenüber der U-Bahn pflegte, hatte er den Bus 415 ab Victoria genommen, was zwar eine halbe Stunde länger gedauert hatte, dafür aber keineswegs mit der muffigen Atmosphäre der Tube zu vergleichen war.
    Während der Fahrt hatten sich draußen die Häuser verändert, aus den großen Stadthäusern mit ihren hohen Dächern wurden kleine Häuschen, die in ordentlichen Reihen

Weitere Kostenlose Bücher