Heaven - Stadt der Feen
über seinen Rücken lief.
Langsam, vorsichtig steckte David den Brief in die Jacke.
Der Lumpenmann regte sich noch immer nicht. Er starrte nur in Richtung des Weges.
Wo war nur der andere? Der Typ mit den schwarzen Handschuhen aus Leder?
Da! Der Lumpenmann bewegte sich. Er drehte den Kopf, aber der Rest seines Körpers schaukelte seltsam auf der Stelle. Es sah aus, als nähme er Witterung auf.
David fühlte, wie sich alle Nackenhaare aufstellten. Was wussten diese Männer genau? Wie waren sie hierhergekommen? Wussten sie nur, dass Heaven hier wohnte? Oder kannten sie auch ihren Namen?
Sie hatte geglaubt, sie sei ein zufällig erwähltes Opfer gewesen, jemand, der einfach Pech gehabt und zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Aber jetzt sah es tatsächlich so aus, als ob David recht behalten hatte. Die seltsame Attacke auf dem Dach war kein Zufall gewesen. Oder doch?
David fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sein Puls pochte noch immer in seinen Schläfen.
Die Krankenschwester im St. Mary’s. Hatten die Kerle,als sie sich als Männer vom Gesundheitsamt ausgegeben hatten, einen Namen genannt oder hatten sie dem Arzt nur ein Bild von Heaven gezeigt? Hatten ihm eine Beschreibung geliefert?
Konzentrier dich! Was hatte die Krankenschwester genau gesagt? David konnte sich nicht mehr daran erinnern.
Okay, egal. Das musste jetzt warten. Was hatte er für Möglichkeiten? Sich ins Haus flüchten? Aber was, wenn der Mann mit den schwarzen Handschuhen Mr Mickey vielleicht gerade einen Besuch abstattete?
Besser, er versuchte, schleunigst von hier zu verschwinden. Scheiße, es ging schließlich nur um einen blöden Zettel. Er könnte Mr Mickey auch von der nächsten Telefonzelle aus anrufen.
Gleichzeitig wusste er, dass er sich nicht von der Stelle rühren würde. Diese beiden Männer waren die einzige Verbindung zu dem, was mit Heaven passiert war. Und sie waren vielleicht der Schlüssel, wie er ihr helfen konnte.
David wollte sich gerade tiefer in die Hecke zurückziehen, um abzuwarten, was geschehen würde, da ging alles sehr schnell.
Der Lumpenmann schaute in Davids Richtung und fast im gleichen Moment teilte sich die Hecke neben ihm und eine schattenhafte Gestalt warf sich auf ihn. Sie packte ihn und drückte ihn zu Boden. David spürte einen Schlag und hustete, roch die feuchte Erde an seinem Gesicht. Dann wurde er unsanft auf die Beine gezogen. Er keuchte, als er die unbändige Kraft des Mannes spürte.
»Guten Tag, junger Freund«, sagte die Gestalt, die vor ihm stand, in einem klaren Englisch.
Vor Davids Augen flimmerte die Wirklichkeit.
»Wir müssen miteinander reden«, hörte er eine Stimme, die schneidend und ruhig wie ein gekrümmtes Messer war.
David schnappte nach Luft und starrte in ein glatt rasiertes, freundliches Allerweltsgesicht. Der Mund lächelte, nur die Augen verrieten, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Dass der Mann einen Willen hatte, der unbezwingbar war. Dass er niemals aufgeben würde. Sie waren kalt wie der tiefste Winter.
Der Mann, zweifellos der Kerl mit den schwarzen Handschuhen aus der U-Bahn, trug Kleidung, die unauffällig und dunkel war. Sein Haar war sauber gescheitelt. In einer Menschenmenge, mit einer Aktentasche in der Hand, wäre er nicht weiter aufgefallen. Doch hier, an diesem Ort, jagte er David einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Unwillkürlich sehnte er sich nach seinem Schlagring zurück, den er damals, als er zu Miss Trodwood gezogen war, tief in einer der Mülltonnen in einer Gasse hinter dem Laden versenkt hatte.
Der Mann verschwendete keine Zeit. »Wo ist das Mädchen?«
David zwang sich, in die kalten Augen zu sehen. »Wer sind Sie?«, fragte er zurück.
Sofort spürte er den Griff eines schwarzen Handschuhs an seiner Kehle. Die Luft wurde ihm abgedrückt. Er röchelte und begann unweigerlich zu zappeln, konnte sich aber nicht aus dem Griff befreien.
»Es ist unhöflich«, sagte der Mann mit den Handschuhen mit einer so ruhigen Stimme, dass einem das Blut in den Adern gefror. Anstrengung merkte man ihm keine an. »Esist sehr, sehr unhöflich, auf eine Frage nicht zu antworten.« Er kam Davids Gesicht ganz nah. »Und du bist doch ein gut erzogener Junge.« Sein Atem roch nach Winter, wie alles andere an ihm auch. »Wo ist das Mädchen? Du warst mit ihr zusammen.« Er zeigte ein raubtierhaftes Lächeln. »Kensington High Street«, zerkaute er die Worte. »Ihr habt uns in der U-Bahn ausgetrickst. Das war nicht ungeschickt. Aber wie du
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