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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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standen, und schließlich sausten Grundstücke mit Rasen und Bäumen und frei stehenden Bungalows am Fenster des schaukelnden Busses vorbei. Die Themse abwärts ging die Fahrt, dorthin, wo Königin Elizabeth I. gestorben war und die Familie der Tudors einen prächtigen Palast errichtet hatte, den noch immer die Wappen von Henry VIIth zieren.
    Der Fluss war hier ruhig und floss ganz verträumt durch Kew Gardens und den Old Deer Park. Die Häuser, die die Parks säumten, sahen herrschaftlich aus, Anwesen, erbaut von einst wohlhabenden Familien, deren knorrige Wurzeln bis weit in die Zeit der Industrialisierung zurückzuverfolgen waren. Mit ihren roten Backsteinen und dem hellen Basalt kündeten sie von den für viele schweren Zeiten, in denen Fabriken und grollende Dampfmaschinen den Familien Reichtum und Wohlstand gebracht hatten. Allerdings waren heute die meisten der Anwesen vermietetund die Twickenham Road, die Kew Road und die Lower Mortlake Road waren zu gewöhnlichen Straßen geworden.
    Ein- oder zweimal war David hier gewesen, hatte seltene Ausgaben zu wohlhabenden Leuten gebracht, die private Bibliotheken besaßen, die größer waren als jede Wohnung, die David in seinem Leben betreten hatte.
    Als er aus dem Bus stieg, fiel David sofort die saubere Luft auf. Sie war kälter und reiner als die Luft in der Londoner City. Ein leichter Wind wehte, fegte dicke Wolken über den Himmel.
    Hier war Heaven Mirrlees also aufgewachsen. Im Bus hatte David seinen Gedanken nachgehangen und sich auf die Landschaft konzentriert, daran gedacht, dass ihn manche Stellen hier an die Bilderbücher aus seiner Kindheit erinnerten, an jene Geschichten, in denen gesittete Dachse und Kröten sich zum Tee trafen und von ihren Abenteuern erzählten. Aber nun schweiften seine Gedanken zu den Dingen, die ihm tatsächlich zugestoßen waren.
    Zu Heaven und dem Dach in Kensington.
    Jetzt kam ihm, was er erlebt hatte, vollkommen unwirklich vor. Je weiter sich der Bus von London entfernte, umso mehr rückten die Dinge in weite Ferne und er wunderte sich darüber, wie schnell er bereit gewesen war, die absurdesten Dinge als Wahrheit zu akzeptieren.
    Von der Bushaltestelle ging er nach links. Vor ihm erstreckte sich die Twickenham Road, zu seiner Rechten der Old Deer Park. Die krummen und dürren Zweige der kahlen Bäume wiegten sich im Wind. Vereinzelt konnte man einen Jogger auf den Wegen erkennen.
    David lief die Straße entlang, bis er das Haus mit der Nr. 21 erreichte.
    Hohe eiserne Tore gaben den Blick frei auf eine lange Auffahrt, die zwischen Bäumen und Wiesen zu dem Anwesen führte, dessen Schornsteine wie dürre Fühler hinter den Bäumen hervorlugten. Das Grundstück schien irgendwo am Horizont eins zu werden mit dem Old Deer Park, der sich dahinter erstreckte.
    Schon während seiner früheren seltenen Besuche in diesem Stadtteil – trotz der Entfernung gehörte Richmond noch zum Stadtbezirk von London – war ihm die Schmiedekunst an dem Tor aufgefallen. Bunte Sterne und Himmelskörper waren dort in die Stäbe und geschwungenen Streben eingelassen.
    David schaute sich um. Die Leute, die auf den Gehwegen entlanghasteten, beachteten ihn nicht.
    »Du musst nicht persönlich mit Mr Mickey reden, er würde dich bloß ausfragen«, hatte Heaven gesagt. »Schmeiß den Zettel einfach in den Briefkasten von Nr. 21 und dann geh wieder.«
    Klang einfach, war es aber nicht. Denn dieser riesige Kasten, der hinter der langen Auffahrt aufragte, mochte mit seinen Giebeln und Erkern, seinem grauen Mauerwerk und seinen dunklen Fenstern all das haben, was man sich unter einem typisch englischen Landhaus vorstellte, aber die Kleinigkeit von einem Briefkasten fehlte, zumindest hier vorn auf der Straße. Wahrscheinlich erwarteten die Bewohner von solchen Häusern, dass man ihnen die Post auf einem Silbertablett überreicht, dachte David genervt.
    Langsam öffnete er das hohe Tor, das in die dicke Mauereingelassen war, die das ganze Anwesen zu umschließen schien. Die geschwungene Klinke fühlte sich kalt an, ließ sich aber ohne Probleme nach unten drücken. Fast schon hatte David ein rostiges Quietschen erwartet, aber wohl nur deswegen, weil er sich an die uralten Serien mit Basil Rathbone erinnert fühlte.
    Als er das Grundstück zögerlich betrat, rechnete er fast schon damit, dass bissige Rottweiler oder Schäferhunde auf ihn losgelassen würden. Anwesen wie dieses wurden im Film immer von Hunden bewacht. Außerdem lagen sie meist im Nebel.
    David

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