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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
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Mädchen. Ihr Humor war avantgardistischer Unfug. Das war ein ganz entscheidender Moment: Zum ersten Mal hatte ich verstanden, worum es im Leben geht! Doch Jeri machte sich über mich lustig, weil ich mich so bescheuert benahm und hysterisch zu kichern anfing, wenn die anderen spitze Bemerkungen machten. Nathan mokierte sich über meine Begeisterung, und Kathy musterte mich schweigend. So lernte ich sie kennen.
    Kathy war die erste Feministin, der ich je begegnet bin. Was auch immer ich dank Riot Grrrl erahnt hatte, stand mir jetzt in Form dieses Mädchens klar und deutlich vor Augen. Ich erinnere mich, dass ich das Wort »Feministin« zum ersten Mal als Kind hörte, mit elf Jahren, und dass ich mich schon damals damit identifizierte, wenn auch auf eine sehr undifferenzierte Weise, weil ich noch viel zu jung war, um mehr zu begreifen. Kathy dagegen schien tatsächlich zu verstehen, was Feminismus im Einzelnen bedeutete. Auch wenn es gar nicht so einfach war, sie zum Reden zu bringen. In einer Gruppe von Großmäulern, die ununterbrochen lachten und johlten, fiel Kathy durch ihre Zurückhaltung auf. Sie hatte nicht das Gefühl, reden zu müssen. Sie war einfach da, ließ sich die Haare ins Gesicht hängen und strahlte coole, radikale Klugheit aus. Wenn sie dann doch etwas sagte, hörte man, dass sie ihren Südstaatenakzent abgelegt hatte. »Du bist so still!«, rief ich manchmal, weshalb sie anschließend noch tiefer hinter ihren langen, glänzenden Haaren versank. Ich ahnte nicht, wie sehr sie es hasste, dass ich das sagte – so wie schüchterne Menschen es immer hassen, wenn andere viel Theater um ihre Schüchternheit machen. Ich wünschte mir nichts mehr als irgendeine Art von Austausch mit ihr, und sie war so unglaublich zurückhaltend.
    Kathy war das erste Mädchen, in das ich mich bewusst verliebte. Verliebtheit. In ein Mädchen. Ich war entzückt, wirklich. Ich war einfach nur da und wartete, bis sie etwas sagte. Ich war fasziniert davon, wie still sie war, so ganz anders als ich. Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn ich nichts zu sagen habe, sage ich nichts.« Na ja, ich bin das krasse Gegenteil. Wenn ich nichts zu sagen habe, sage ich alles, was mir gerade durch den Kopf geht. Kathy war mir ein solches Rätsel. Ich fand, sie war das Beste, was ich je gesehen hatte. Und dieses Gefühl habe ich immer noch. Sie trug stets Strumpfhosen mit Leopardenmuster. Solche Sachen waren bei uns nicht leicht zu kriegen. Wenn man Glück hatte, fand man bei Goodwill oder Wal-Mart etwas Brauchbares, aber das war’s auch schon. Gott weiß, wie viel Geld Kathy von ihrem Lohn sparte, um sich ihre coolen Leopardenleggins per Mailorder zu kaufen. Die Leggins waren ihr Markenzeichen. Und ihre Stimme, denn sie sprach wie ein Riot Grrrl – oder ein Valley Girl, als käme sie aus einem Staat an der Pazifikküste, wo sich die Leute mit ihren supercoolen Stimmen über alles Mögliche supercool unterhielten.
    Jeri und Nathan redeten manchmal genauso, als könnten sie sich nicht entscheiden, ob sie ihren gewohnten Akzent ablegen sollten, was sie sich aber nicht so richtig trauten, weil sie Angst hatten, es könnte aufgesetzt klingen. Ich fand, dass meine eigene Stimme dumm und schwerfällig klang im Vergleich zu der von Kathy. Ich versuchte, sie nachzumachen, aber bei mir funktionierte es nicht. Mein Akzent ist untrennbar mit meiner Stimme verbunden, genauso wie die in meine Fingerkuppen eingegrabenen Linien ganz unverwechselbare Fingerabdrücke hinterlassen.
    Kathy wohnte bei ihrer Mutter, einer guten, netten, gläubigen Frau, die aufgrund ihrer psychischen Probleme in den Siebzigerjahren einiges durchgemacht hatte. Dass sie anders tickte, war nicht zu übersehen. Zum Beispiel brachte sie Kathy bei, ihre Vagina als »Pussy« und nicht wie andere kleine Mädchen als »Untenrum« zu bezeichnen. Es muss ein Schock für Kathys Lehrerinnen gewesen sein, das P-Wort aus dem unschuldigen Mund eines kleinen Mädchens zu hören. Kein Wunder, dass Kathy nicht viel redete.
    Nathans Band, Mrs. Garrett, war nach der schrillen Mutter aus der Fernsehserie The Facts of Life aus den Achtzigern benannt. Er hatte mit Jeri noch eine zweite Band, die erst Space Kadets hieß, dann Boy Pussy USA oder einfach nur Boy Pussy. Ihre Flyer waren handgezeichnete Cartoons, die sie selbst in Kleidern zeigten, Essensreste spritzten aus ihren Mündern.

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