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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
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Ihren gezeichneten Köpfen setzten sie riesige Bienenkorbfrisuren auf. Gott, ich wollte unbedingt so sein wie sie! Ich war noch nie so ungeduldig gewesen.
    Auch mein Kleidungsstil verbesserte sich unter ihrem Einfluss. Wir waren so weit abseits von allem – Punk, Riot Grrrl –, dass wir der Mode einen besonderen Arkansas-Stempel aufdrückten. Wir sahen nicht richtig nach Punkrock aus, wenngleich wir das versuchten. Ich hatte ein Mr.-Potato-Head-T-Shirt, das mein altes Pearl-Jam-T-Shirt ablöste. Ich trug blöde Schuhe und lila Nagellack, dazu bunte Haarspangen.
    Ich wollte unbedingt ein Nasenpiercing haben! In Großstädten eröffneten Piercingstudios, in denen man schicken Schmuck kaufen konnte, der extra für Nasen, Augenbrauen oder Bauchnabel gemacht war. In Judsonia gab es nichts dergleichen. Ich fuhr zum Town and Country Plaza, wo man sich bei einem Friseur neben dem J. C. Penney Löcher in die Ohren stechen lassen konnte. Ich ging hinein und fragte die Friseurin, ob sie mir ein Loch in die Nase stechen würde. »In die was?« Sie sah mich an, als wäre ich nicht ganz dicht, aber sie nahm das Gerät, das wie ein fieser Bürotacker aussah, und schob es mir so weit wie möglich in die Nase. Ich bin sicher, dass sie damit gegen sämtliche Hygienevorschriften verstieß. Das Ding war dick, meine Nasenlöcher sind jedoch klein und zart. Und weil sie den Winkel nicht richtig hinbekam, saß das Ding schief. Aber ich hatte mein Piercing. Und es war cool.
    Jetzt sah ich für meine neuen Freunde gleich viel besser aus. Denn das wurden sie langsam, aber sicher – meine Freunde.
    Allerdings brauchte es mehr als ein Nasenpiercing, damit Nathan auftaute. Er hatte praktisch im Alleingang eine Punkszene geschaffen. Er hatte sogar Dub Narcotic Sound System in unsere beschissene Kleinstadt geholt und dort auftreten lassen. Er veranstaltete Konzerte in der Legion Hut, wo die Raummiete nur vierundzwanzig Dollar betrug. Nathan war ein Held. Er ist zum Teil Native American, seine Haare sind pechschwarz. Die Farbe, für die sich jeder ein Bein ausriss, um sie sich irgendwie aus einer Flasche auf den Kopf zu zaubern, wuchs völlig mühelos ohne Nathans Zutun auf seinem Kopf. Seine Haare waren immer schon cool gewesen. Seit ich ihn kannte, trug er eine dicke Buddy-Holly-Brille, sein Markenzeichen. Er widmete sich seinem Look mit einer solchen Leidenschaft, dass er selbst im brutal heißen Sommer von Arkansas im dreiteiligen Polyesteranzug und mit einem schweren Hundehalsband herumlief. Das Tragen von Halsbändern wurde von der Schulleitung schließlich untersagt, aber Klamotten aus Polyester konnte sie zu ihrem Leidwesen nicht verbieten. Im Klassenraum war Nathan eine einzige Ablenkung. Ohne etwas zu sagen, strahlte er eine Message aus: »Scheiß auf Arkansas.« Deshalb wurde er ständig verdroschen, auch wenn er einfach nur irgendwo saß. Andauernd bezog er Prügel, weil er angeblich schwul war, denn eine althergebrachte Regel besagte, dass jeder Typ, der komisch aussah, schwul sein musste. Aber Nathan war nicht schwul. »Einer für alle«, meinte er philosophisch. Arschlöcher bespuckten ihn in der Cafeteria mit Essen, doch er hob es auf und aß es. Das nenne ich Stil! Ich habe nie jemanden kennengelernt, der häufiger verkloppt wurde als Nathan. Dass er mir nicht traute, machte mich rasend. Unsere kleine Punkszene war ein bisschen ein Jungs-Club, und ich war ein Mädchen – ein dickes, lautes, nerviges Mädchen.
    Als ich Nathan das erste Mal zu Hause besuchte, wurde ich mit einem Gewehr verjagt. Nathans Vater Eddie liebte Gewehre. Mit einem alten Golfcart scheuchte er mich sternhagelvoll von seinem Grundstück, weil ich Feuerwerksraketen in die Scheune geschossen hatte. »Ich knall dich ab!« Nathan hat einiges vom Charakter seines Vaters geerbt.
    Nathan war eines von zwei Kindern. Seine Mom war durchgebrannt. Sie traf sich mit Nathan am Ende der langen Straße, die zu seinem Haus führte, und nahm ihm sein Geld fürs Mittagessen ab, um sich davon Drogen zu kaufen. Bevor sie endgültig für immer verschwand, blieb sie häufig wochenlang weg. Sie rief seine kleine Schwester an und versprach, Weihnachten nach Hause zu kommen, woraufhin die Schwester Geschenke einpackte. Bei Nathan gab es einen Schrank voller eingepackter Geschenke, die Staub ansetzten und darauf warteten, von dieser Frau ausgepackt zu werden, die sich

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