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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
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ist.
    Nachdem Jeri es Jennifer und mir erzählt hatte, wurde er irgendwie lockerer und erzählte es immer mehr Leuten. Auch Nathan. Nathan machte es nichts aus, Kathy machte es nichts aus, und mir machte es ganz bestimmt nichts aus. Aber der Stress, sich dazu zu bekennen, war enorm. Und die Angst, die sich in Jeri aufgestaut hatte, war real. Irgendein total verblödetes Punkmädchen fand es heraus und wollte Jeri weismachen, er würde deshalb in der Hölle landen. Wenn man im apokalyptischen Arkansas aufwächst, denkt man ständig, man würde in der Hölle schmoren müssen. In Jeris verletzbarem Zustand, in dem er sich kurz nach seinem Coming-out befand, genügte es, dass irgendeine bescheuerte Kuh seine größte Angst in Worte fasste, damit er komplett ausrastete. Er schnappte sich alle Gegenstände, der ihm irgendwie schwul vorkamen – Klamotten, Zeitschriften, Platten, Bücher, Schmuck, alles Mögliche, und ihm kamen viele seiner Sachen schwul vor, weil er schwul war –, und warf sie auf einen Haufen im Hof. Seine ganzen mit Sicherheitsnadeln zusammengepinnten Klamotten, die selbst gemachten Accessoires, die Fanzines von Jungs, die wie er in Kleinstädten saßen und wussten, dass sie schwul waren. Im Hinterhof ließ er alles in Flammen aufgehen – selbst das einzige Foto seines Exfreundes, an dem er immer noch sehr hing. Danach sprang er in seinen Wagen und fuhr heulend raus zu mir nach Georgetown. Er kam damals häufig vorbei, und die Tatsache, dass wir beide homosexuell waren, ließ Jeri und mich enger zusammenrücken.
    An jenem Abend sprachen Jeri und ich darüber, ob Gott existierte, und dass er wahrscheinlich eher eine wilde kreative Energie war, die unsere Vorstellungskraft überstieg und alles erschaffen hatte, was wir kannten. Gott hatte uns schwul oder lesbisch gemacht. Er war dafür verantwortlich, dass Jeri sich zu dem Jungen hingezogen fühlte, mit dem er eine Affäre hatte, und auch für die irren, wunderbaren Gefühle, die ihn durchströmten, wenn sich ihre Lippen trafen. War das nicht Gott? Welch tiefsinnige Gespräche wir doch an jenem Abend führten … meinten wir jedenfalls.
    Jeris Mutter ist eine typische Südstaaten-Mom mit dem typischen Südstaatennamen Sue Ann. Den ersten ernstzunehmenden Hinweis darauf, dass ihr Sohn schwul sein könnte, bekam sie durch einen Streich, den Nathan Jeri spielte. Nathan und Jeri nannten Jeris Wasserbett Vicky und taten so, als wäre es ein lebendiges, hungriges Monster. Sie brachten Vicky Opfer dar. Vicky war ein Friedhof für all die toten Pizzaränder, die Jeri und Nathan zwischen Matratze und Bettgestell stopften. Genau wegen dieser Art von absurdem Blödsinn hatte ich mich in die beiden verliebt. Ein Wasserbett Vicky zu nennen und es mit Pizza zu füttern … das war rasend komisch. Sie zogen auch das Laken ab und bekritzelten die Gummimatratze. Nathan zog die Kappe von einem dicken schwarzen Marker und schrieb: »Mom, ich bin schwul. Alles Liebe, Jeri.«
    Wie es sich für eine gute Südstaaten-Mom gehörte, machte Sue Ann irgendwann Jeris Bett, sah die Botschaft und sich gleichzeitig zum ersten Mal mit der Vorstellung konfrontiert, dass ihr Sohn möglicherweise schwul war. Jeri hatte sich seiner Mom gegenüber also nicht persönlich geoutet, sondern die Aufgabe Vicky, seinem Wasserbett, überlassen.

VIERZEHN
    14
    TROTZ DER TATSACHE, DASS ICH meine komplette Zeit mit Jeri, Nathan und Kathy verbrachte, hatte ich immer noch das Gefühl, die Außenseiterin in ihrer so intensiv freundschaftlich verbundenen Runde zu sein. Ich wusste, dass sie mich mochten, und fühlte mich in ihrer Gesellschaft inzwischen auch sehr viel wohler als noch am Anfang. Aber es fehlte noch etwas, ein gemeinsames Erlebnis, das uns richtig zusammenschweißen würde. Dank Nathan ließ es nicht lange auf sich warten.
    Nathan war für seine Lügen berüchtigt. In Little Rock gab es ein mehr oder weniger berühmtes Punkpärchen, Vic und Stacy. Die beiden waren so scharf und cool und punkig, dass ihr legendärer Ruf bis nach Judsonia vorgedrungen war. In Arkansas waren sie so etwas wie die Kennedys des Punk, fast schon wie Adlige. Nathan behauptete, er hätte verabredet, dass wir bei ihnen in ihrem Punkrockpalast in Arkansas übernachten durften.
    Vic und Stacy! Vielleicht würde Stacy mich auf ihre liebevolle Art als kleine Schwester ins Herz

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