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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
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niemals blicken ließ. Die Situation war mir vertraut, weil ich dasselbe schon bei den drei As und deren Mom erlebt hatte. Auch sie hatte großspurig angekündigt, meinen Cousin und meine Cousinen besuchen zu wollen, und war dann entweder gar nicht oder eine Woche später abends an einem Werktag aufgetaucht. Weil ich das von ihm wusste, fühlte ich mich Nathan sehr nahe.
    Â»Welche Bands kennst du?«, fragte mich Nathan eines Tages, als wäre es ein Quiz oder ein Test. Offenbar gab es richtige und falsche Antworten, aber ich kannte halt nur die Bands, die ich kannte, also antwortete ich uncool und ehrlich: »Melanie, Mama Cass.« Und in seiner Arroganz ignorierte mich Nathan. Ich stand auf Missy Elliott. Aber ich liebte auch Raoul, Skinned Teen und Sleater-Kinney. Sleater-Kinney liebe ich immer noch, Call the Doctor hat die Zeit unbeschadet überdauert und ist immer noch eines der besten Alben überhaupt .
    Nathan war wie alle Musiker stolz auf sein Wissen und seine Musikkenntnisse – nicht nur, was Punk betraf. Eines Abends bei Jeri redete er über Blues-Platten, und ich ließ mir die Chance nicht entgehen, die anderen zu beeindrucken. Ich liebte Blues! »Ich liebe Billie Holiday«, verkündete ich. Nathan sah zu mir rüber.
    Â»Ja, den mag ich auch.«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Billie Holiday, den mag ich auch«, wiederholte er.
    Â»Ja, klar«, krächzte ich. »Billie Holiday … der ist echt toll.«
    Nathan wollte einfach überall mitreden, und dass ich etwas über Musik wusste, von dem er keine Ahnung hatte, führte dazu, dass seine coole Fassade in meinen Augen Risse bekam. Ich ahnte, dass sich dahinter auch nur ein verunsicherter Teenager verbarg, und wurde dadurch immer lockerer. Innerlich waren wir alle einfach nur komische Typen. Natürlich war Nathan reserviert, schließlich wurde er permanent verprügelt. Endlich hatte er eine Gruppe von Leuten getroffen, mit denen er etwas anfangen konnte. Und jetzt fiel es ihm schwer, jemand Neues in die Gruppe zu lassen.
    Jeri habe ich es zu verdanken, dass die anderen mir gegenüber auftauten. Zu Teenagerzeiten waren seine roten Haare lang und schmutzig. Jeri hängte Nintendo-Kabel wie Schmuck um den Hals, er war verrückt nach Mortal Kombat . Er schnitt seine Hosenbeine ab und steckte sie sich mit Sicherheitsnadeln an die Ärmel seines T-Shirts. Seine Socken zerschnitt er ebenfalls und funktionierte sie zu Armwärmern um. Er trug ein Dickies-T-Shirt, auf das er mit Marker Sprüche wie »Reject All American« geschrieben hatte. Einmal hatte er sich beide Handgelenke gebrochen und Gipsverbände verpasst bekommen, die er mit saukomischem Scheiß bekritzelte. Er war ein irrsinnig begabtes Technikgenie und schon mit fünfzehn Jahren verurteilt worden, weil er sich in das Netz der Telefongesellschaft gehackt und ein Jahr lang kostenlos Ferngespräche geführt hatte.
    Vom ersten Moment unserer Begegnung an wusste ich, dass Jeri schwul war. Ich wollte ihm sagen, dass ich es wusste und dass es okay für mich war, weil ich selbst ähnlich empfand. Eines Abends auf einem Jahrmarkt, mittendrin im Schein der bunten, blinkenden Lichter, flüsterte ich ihm ins Ohr: »Ich bin leidenschaftlich bisexuell!« Tut euch keinen Zwang an, wenn ihr darüber lachen müsst. Es schien mir cool, bisexuell zu sein. Ich konnte tief in meinem Innern lesbische Gefühle haben und trotzdem mit meinem Freund Anthony zusammenbleiben. Vielleicht würde ich ja doch noch schwanger werden und Babys bekommen. Das mit dem Lesbischsein hätte sich dann erledigt.
    Jeri sagte einfach nur: »Cool.« Jennifer lief gelangweilt neben ihm her, was wir kaum bemerkten. Wir vier wuchsen immer stärker zusammen, während meine Freundschaft zu Jennifer langsam, aber sicher abflaute. Jeri konnte mit mir sehr tiefe Gespräche führen, was mit Nathan nicht möglich war, da dieser immer nur Witze riss und über Musik redete. Jeri war trotz seiner ständigen Albereien sehr sensibel. Er wünschte sich Freunde, mit denen er auch über Tiefgründiges und Ernstes sprechen konnte … weil auch das Leben größtenteils absurd, aber nicht immer lustig war.
    Ich erinnere mich, dass wir bei Jeri zu Hause waren und irgendeine entsetzliche Talkshow sahen. Das Thema des Tages war »Dicke, die sich sexy kleiden«. Die Sendungen wurden ständig wiederholt, und ich hatte die Folge schon bei

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