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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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war. Nicht nur, was die Kräfte, sondern vor allem, was die Brutalität anging. Obwohl Marinus nun sicherlich genauso wütend war wie der andere, war er dennoch unfähig, die gleiche Erbarmungslosigkeit aufzubringen. Seine Schläge waren immer etwas schwächer als die des anderen, er zielte nie auf die Augen oder die Nase und auch nicht auf die Kopfwunde. Er schaffte es einfach nicht.
    Dennoch war er dem Kerl auch überlegen. Marinus war schneller, bei guter Gesundheit, frischer und ausgeruhter. Er konnte den Schlägen ausweichen, konnte den anderen umtänzeln, war schon links, wenn er rechts auf ihn zielte, und ihm immer ein paar Schritte voraus, während er ihm nur schwerfällig folgte.
    Schließlich entschloss Marinus sich, sein Heil in der Flucht zu suchen. Sein erster Schreck war überwunden, die Angst auch, er konnte wieder klar denken. Viel wichtiger, als den Gegner zu besiegen, war es, heil aus diesem Kampf herauszukommen. Denn nur dann konnte er Geesche helfen. Wenn sie überhaupt noch lebte!
    »Wo ist Geesche?«, stieß er hervor. »Sag’s mir! Hast du sie umgebracht?«
    Die Rechte des Mannes schoss vor, ohne dass er eine Antwort gab.
    Marinus war rechtzeitig zurückgewichen. »Warum willst du sie töten? Sag’s! Was hat sie dir getan? Oder hat dich jemand beauftragt?«
    Marinus lief einige Schritte Richtung Meer, sah dabei aber strikt zurück und ließ den Kerl nicht aus den Augen, der ihm folgte und jetzt schneller wurde, als Marinus ihm zugetraut hatte.
    »Wer hat dir gesagt, dass du sie töten sollst? Was hat er dir dafür gegeben?«
    Marinus blieb kurz stehen und sah dem Mann entgegen. Er antwortete noch immer nicht, aber ihm war, als hätte er einLicht in seinen Augen gesehen, das einer Antwort gleichkam. Ja, er war nun ganz sicher, dass er hier einen bezahlten Mörder vor sich hatte.
    Marinus wandte sich dem Meer zu und begann zu laufen. Der Mann war schwer angeschlagen, er würde ihn nicht einholen. Was hatte es für einen Sinn, sich mit ihm zu prügeln? Marinus brauchte seine ganze Kraft, um Geesche zu retten. Wenn sie noch lebte, war er ihre einzige Chance. Wer sonst sollte sie befreien und in Sicherheit bringen? Nur er, Marinus! Der Inselvogt würde sie wieder ins Gefängnis werfen, nicht einmal auf Dr. Pollacsek konnte sie mehr vertrauen. Und auf die Sylter, die sie bisher geachtet hatten, erst recht nicht. Geesche wurde gehasst, weil sie die Inselbahnarbeiter um ihren Lohn betrogen hatte. Und wenn jemand von der einzigen Schuld erfuhr, die wirklich auf ihrem Gewissen lastete, würde man sie vermutlich lynchen. Er musste ihr helfen. Er war der Einzige, der es konnte.
    Marinus war das Laufen im weichen, nachgiebigen Sand nicht gewöhnt. Obwohl er sicher gewesen war, schneller zu sein als sein Angreifer, merkte er nun, dass der Kerl aufholte. Marinus geriet ins Rutschen, als er den Kamm der Düne erreicht hatte und sich an den Abstieg zum Strand machen wollte. Er stürzte, rappelte sich mühsam hoch, stürzte erneut. Damit gewann sein Angreifer mehrere Meter, der sich sicher im Sand bewegte und genau wusste, wie schnell man laufen durfte, um auf den Beinen zu bleiben. Marinus hörte bereits das Keuchen in seinem Nacken, und als er, kaum dass er die Ebene des Strandes erreicht hatte, nach vorn taumelte und noch einmal stürzte, war der Kerl schon über ihm. Er drückte seinen Kopf in den Sand, so dass er kaum Luft bekam, und hieb ihm die Faust in den Rücken. Immer wieder, immer schmerzhafter. Marinus spürte den Sand in seinem Mund, in den Augen, in der Nase, warf sich dann mit der Kraft der Verzweiflung herum und den Angreifer damit von seinem Körper.Er stand eher auf den Beinen als der andere, der sich schüttelte, nachdem er sich auf die Knie gehoben hatte, und nach seinem Kopf griff. Auch Marinus schüttelte sich, um den Sand loszuwerden, der ihm in den Augen brannte. Schwerfällig kam der Mann auf die Beine, und Marinus, an Fairness gewöhnt, wartete, bis es ihm gelungen war. Erst dann schlug er zu, bevor es der andere tun konnte. Und diesmal zielte er auf die Kinnspitze.
    Es gab ein hässliches Geräusch, und der Mann kippte nach hinten, ohne einen einzigen Laut von sich zu geben. Er schien schon im Fallen das Bewusstsein verloren zu haben, denn er machte keine Abwehrbewegung und prallte auf den Boden, ohne auch nur den Versuch zu machen, sich abzustützen. Ein kurzes Zucken, dann entspannte sein Körper sich. Bewegungslos lag er nun da.
    Schwer atmend stand Marinus vor ihm und machte

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