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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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geprallt wäre. »Das sagst du, weil du schuld bist. Hätte Alexander uns nicht in den Dünen gesehen, wüsste er nicht, dass ich Ebbo liebe. Er braucht sich keine Mühe zu geben, mir ein guter Ehemann zu werden.«
    »Ich will es wiedergutmachen.«
    »Und wie, wenn ich fragen darf?« Elisas Stimme troff vor Hohn.
    »Ich weiß ein sicheres Plätzchen, wo Sie Ebbo treffen könnten, Comtesse. Er würde Sie so gerne sehen. Wenigstens ein letztes Mal, hat er gesagt.«
    »Was soll das für ein Plätzchen sein?«
    »Das Haus der Hebamme. Sie sitzt im Gefängnis. Das Haus ist leer.«
    »Dr. Nissen wohnt dort, das weiß ich.«
    »Aber er hält sich abends nicht dort auf, weil er entweder im ›Dünenhof‹ oder im ›Strandhotel‹ speist. Und nachts schläft er tief und fest.«
    Elisa blieb stehen und starrte Hanna mit offenem Munde an. »Du meinst …?«
    »Sie könnten aus dem Fenster klettern. Ebbo wartet am Tor auf Sie.«
    Elisa griff sich an den Hals, als litte sie unter Atemnot. »Wenn das rauskommt …«
    »Es wird nicht rauskommen. Niemand wird Sie sehen.«
    »Und was, wenn du wieder … du weißt schon?«
    »Das wird nicht noch einmal passieren. Ich schwöre Ihnen, Comtesse, dass ich das Haus bewachen werde wie meinen Augapfel!«
    Elisa ging langsam weiter, den Blick zu Boden gerichtet. Sie hob den Kopf, als die Kutsche ihrer Eltern vorbeifuhr und winkte ihnen lachend nach. Dann sagte sie: »Aber nur noch ein einziges Mal. Sag Ebbo das. Es wird unser Abschied sein.« Sie richtete sich auf, so dass sie noch ein bisschen größer wurde. »Gleich wird es alle Welt sehen, dass ich die Verlobte des Fürsten bin. Ich werde neben der Königin und Alexander stehen.«
     
    Dr. Pollacsek hatte dem Arzt über die Schulter gesehen und nach und nach erkannt, wie es um den Mann stand. Trotzdem fragte er: »Was ist mit ihm?«
    Dr. Nissen erhob sich und klopfte sich den Sand von der Hose. »Er ist tot. Die Kopfverletzungen sind erheblich.«
    Pollacsek seufzte tief auf, während Michelsen sich bekreuzigte. »Was nun?«
    Alle drei starrten auf den Toten, der noch immer auf dem Rücken lag, Arme und Beine von sich gestreckt. Wäre die hässliche Kopfwunde nicht gewesen, hätte man meinen können, Hauke Bendix nähme ein Sonnenbad.
    Dr. Nissen hatte sofort nach dem Eintreffen den Verband entfernt und sich den Kopf des Toten sehr genau angesehen. Dann war er zu der Meinung gekommen, dass der Mann selbstschuld an seinem Ende war. »Damit hätte er sich ins Bett legen müssen. So was braucht viel Zeit, bis es auskuriert ist.«
    Dr. Pollacsek fiel ein, dass er in diesem Fall die Autorität war, die eine Entscheidung treffen musste. »Wir nehmen ihn mit nach Westerland. Wenn er auch ein Strandräuber ist, er bekommt ein anständiges Begräbnis. Schon wegen Okko, der immer ein rechtschaffener Kerl war. Ihm zuliebe müssen wir Hauke behandeln wie jeden anderen Christenmenschen auch.«
    Die beiden Doktoren richteten ihren Blick auf den einzigen unter ihnen, der für eine unangenehme und schwere Arbeit in Frage kam. Und Michelsen verstand sofort. Er bückte sich, griff nach Haukes Armen und zog ihn zu seinem Pferd. Dann machte er sich an die schwierige Arbeit, den leblosen Körper hochzuwuchten.
    Pollacsek überlegte, ob er seinem Hausdiener helfen sollte, und sah dem Arzt an, dass er sich die gleichen Gedanken machte. Beide jedoch scheuten vor dieser unangenehmen Aufgabe zurück, einer wartete auf den anderen, bereit zuzuspringen, sobald der andere Anstalten machte, es zu tun.
    Dr. Pollacsek hielt es nicht lange aus, Michelsens Bemühungen zuzusehen. Er machte einen Schritt auf seinen Hausdiener zu, der den Toten aufgerichtet hatte, ihn vor sich hielt und sich fragte, wie er ihn auf das Pferd bugsieren sollte. Pollacsek ging auf die andere Seite des Pferdes, griff nach Haukes Händen und zog ihn auf den Pferderücken, während Michelsen den Toten hinaufschob.
    Dr. Nissen machte nun einen Schritt nach vorn. »Lassen Sie mich Ihnen helfen«, bot er höflich an.
    Aber Dr. Pollacsek reagierte so, wie er anscheinend erwartet hatte. »Sie nicht, lieber Nissen! Sie haben genug getan.«
    Zufrieden griff Dr. Nissen in die Brusttasche seines Jacketts, holte etwas heraus und schob es sich gedankenverloren in den Mund.
    Dr. Pollacsek hatte gerade in diesem Augenblick aufgesehen, weil ihm einfiel, dass die Gelegenheit gekommen war, sich nochmals für Dr. Nissens Erscheinen zu bedanken. Prompt stellte er seine Bemühungen um den Toten ein. »War das eine

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