Hebamme von Sylt
Verärgerung und auch Freude mit minimaler Mimik zum Ausdruck zu bringen. Und ihre Bemühungen hatten ihr Recht gegeben, noch immer hatte sie eine makellose Haut. Außer … sie litt unter ihrer Migräne. Dann sah sie nicht nur älter aus, sondern verlor auch einen großen Teil ihrer kühlen Schönheit. Daran erkannte Graf Arndt, dass seine Frau wirklich Kopfschmerzen hatte und nicht nur schlecht gelaunt war.
»Vielleicht solltest du auch schlafen gehen«, schlug er vor. »Elisa hat ebenfalls unter Kopfschmerzen gelitten. Sie ist sehr früh zu Bett gegangen und schläft schon tief und fest. Morgen wird sie gut erholt aufwachen.«
Aber Katerina wollte davon nichts hören. »Bei meinen Kopfschmerzen ist an Schlaf überhaupt nicht zu denken!«
Arndt seufzte. »Ja, die Verlobungsfeier war anstrengend. Dann die Sache mit deinem Collier und schließlich die Einweihung des Gedenksteins … das war zu viel für dich.«
»Aber wir konnten unmöglich fehlen.« Katerina schien sichin Erinnerung an dieses Ereignis zu beleben. »Findest du nicht auch, dass Alexander und Elisa ein schönes Paar sind?«
Arndt bestätigte es eilig, wie er alles bestätigt hätte, was Katerinas Wohlbefinden zuträglich gewesen wäre. Er hatte sogar die Hoffnung, dass das Ziel, das mit Elisas Verlobung erreicht worden war, zu derart angenehmen Gedanken führte, dass die Migräne in Vergessenheit geriet.
Aber da hatte er sich getäuscht. Katerinas Gesicht nahm erneut den zerquälten Ausdruck an. »Ich brauche ein Medikament.«
»Soll ich zu Herrn Roth schicken lassen? Du weißt, er war Apotheker, ehe er nach Sylt zog. Vielleicht kann er dir helfen.«
»Nein, ich brauche einen Arzt.«
Arndt spürte, wie der Unwille in ihm aufstieg. »Warum lässt du dir nicht von Rosemarie oder Eveline helfen? Kalte Umschläge tun dir sonst gut.«
Ihr Blick war vernichtend. »Ich brauche einen Arzt.«
»Du weißt, dass es auf Sylt keinen Arzt gibt. Schon im letzten Jahr hast du darüber gejammert.«
Nun wurde ihr Blick noch schärfer. Katerina von Zederlitz jammerte nicht, sie war aufgrund ihrer Sensibilität so schmerzempfindlich, dass ihre Migräne im Nu unerträglich wurde!
Arndt hob beschwichtigend die Hände. Ja, er hatte einen schweren Fehler begangen, indem er dieses Wort gewählt hatte. Jammern war etwas für Dienstboten. Katerina litt stilvoll und fühlte sich ausgezeichnet durch die Fähigkeit, leiden zu können, ohne zu jammern.
»Natürlich gibt es einen Arzt«, sagte sie. »Lass bitte Dr. Nissen kommen.«
Arndt erhob sich abrupt. »Dr. Nissen ist Feriengast.«
»Er hat seine Bereitschaft erklärt, mir zu helfen, wenn es mir schlechtgeht. Wir müssen ihn deswegen bei Gelegenheit zum Dinner einladen. Bitte, erinnere mich daran. Bei diesen Kopfschmerzen könnte ich es vergessen.«
Graf Arndt betrachtete seine Frau kopfschüttelnd. »Zu dieser späten Stunde soll ich ihn kommen lassen? Ich wüsste nicht einmal, wohin ich den Kutscher schicken sollte. Dr. Nissen speist mal in diesem, mal in jenem Restaurant.«
»Roluf soll zum Haus der Hebamme fahren. Vielleicht trifft er ihn dort an. Wenn nicht, soll er eine Nachricht hinterlassen.«
»Bei wem? Du weißt, dass die Hebamme verhaftet wurde?«
Wieder griff Katerina sich an den Kopf. »Rede nicht von so schrecklichen Dingen.«
Arndt schwieg folgsam, betrachtete die schmalen Finger seiner Frau, die nervös über die Schläfen strichen, schloss wie unter einem blendenden Lichtstrahl die Augen und lauschte auf das Rascheln des Taftkleides. Das Synonym für Heimat, Behaglichkeit und Sicherheit.
Erschrocken riss er die Augen wieder auf, als das leise Rascheln plötzlich zu einem scharfen Knistern wurde. Katerina hatte sich erhoben und funkelte ihn wütend an. Eine unglaubliche Kraftanstrengung angesichts ihres Zustandes. »Dann werde ich mich also selbst darum kümmern.«
Schon stand Graf Arndt neben seiner Frau. »Liebes! Nein! Lass mich das machen!« Er griff nach ihren Schultern und drückte sie sanft in den Sessel zurück. Nun fiel wieder das Licht der Petroleumlampe auf ihren Scheitel, auf diese feine Linie weißer Kopfhaut, die ihn rührte, weil sie ihm derart mädchenhaft und zart erschien, dass er ihr am liebsten mit den Fingern nachgefahren wäre. Aber natürlich hütete er sich vor einer derart intimen Berührung. Katerina würde ihm das Teeglas an den Kopf werfen.
»Ich werde Eveline Bescheid sagen, damit sie sich um dich kümmert, während ich nach Dr. Nissen suche.«
Katerina sah
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