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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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Gespräch ablenken ließ, das nichts mit Hanna Boyken zu tun hatte. »Als die Königin in Westerland eintraf, ist mir ein Mann aufgefallen. Schwarze Haare, schwarze Augen, schwarze Kleidung! Er schien auf dich aufmerksam zu werden. Kennst du ihn?«
    Arndt überlegte nicht lange. »Ich weiß nicht, von wem du redest.«
    »Er gehörte zum Gefolge der Königin.«
    »Meinst du den?« Graf Arndt zeigte unauffällig zu einem jungen Mann, der gerade den Scheitel des Strandübergangs erklommen hatte und sich nun umsah. Als er die Gruppe bemerkte, die sich um die Königin geschart hatte, setzte er seinen Weg fort und hielt direkt auf sie zu. Ein gut aussehender Mann mit dunklen Haaren, die aber nichts mit dem fremdländisch Schwarzen zu tun hatten, das Marinus an dem Mann aufgefallen war, den er bei der Ankunft der Königin beobachtet hatte.
    »Nein, der nicht.«
    Arndt runzelte die Stirn und betrachtete den jungen Mann näher, der mit großen, steifen Schritten zur Königin ging, während er dafür sorgte, dass seine Schuhe und die Hose seines korrekten schwarzen Anzuges so sauber wie möglich blieben.
    »Das könnte der junge Nassau-Weilburg sein«, meinte Arndt nachdenklich.
    Mittlerweile war Hanna am Fuß des Strandübergangs angekommen, wo Owena Radke sie empfing und ihr mit barschen Worten die Sonnenschirme abnahm. Nun hastete sie auf Katerina zu, die ihr ungeduldig entgegensah.
    »Endlich!«, hörte Marinus seine Schwägerin sagen. »Warum hat das so lange gedauert?«
    Marinus gefiel es, dass die Haushälterin eine Erklärung herunterschluckte, die womöglich zu Hannas sofortiger Entlassung geführt hätte. Anscheinend hatte Owena Radke Verständnis für Hanna, die dem Glanz der Königin erlegen war.
    Hanna selbst jedoch tat nichts, um ihre Pflichtvergessenheit wiedergutzumachen. Sie blieb am Strandübergang stehen und starrte dem jungen Adeligen nach, dessen elegante Erscheinung sie zu blenden schien.
    Owena Radke riss eilig einen der Sonnenschirme hoch, hielt ihn schon über Katerinas Kopf, noch ehe sie ihn geöffnet hatte … und so passierte es. Als der Sonnenschirm aufsprang, rieselte Sand herab. In Katerinas kunstvoll aufgesteckte Frisur, auf die Schultern ihres hellen Sommerkostüms, in den Ausschnitt ihrer weißen Spitzenbluse, den Rock hinab, bis auf die schwarzen Schnürstiefeletten.
    Der Schrei, der ertönte, war vielstimmig. Nicht nur Katerina schrie auf, auch Elisa, Owena Radke und die beiden Dienstmädchen, die sich in der Nähe aufhielten, schrien. Die Einzige, die das Erschrecken unberührt ließ, war Hanna.
    Marinus beobachtete, wie sie neugierig näher kam. Ihr Gesicht war ohne jedes Schuldbewusstsein, obwohl sie wissenmusste, dass das Unglück nur geschehen konnte, weil bei ihrem Ausflug in die Dünen der Sand in die Schirme geraten war.
    »Rosemarie! Eveline!« Katerina schrie nach den beiden Dienstmädchen, als ginge es um ihr Leben. Owena Radkes Hände, die sich um sie bemühen wollten, schlug sie wütend zur Seite. »Gehen Sie mir aus den Augen! Verschwinden Sie! Lassen Sie sich in meinem Hause nie wieder blicken!«
    »Aber …«, stotterte Owena Radke, »es war nicht meine Schuld!«
    »Nicht Ihre Schuld?«, wiederholte Katerina schneidend. »Waren Sie es nicht, die den Sonnenschirm geöffnet hat?«
    »Ja, aber …«
    »Erst lassen sie mich auf den Schirm warten und dann so etwas!«
    »Aber, ich …«
    »Verschwinden Sie!«
    Owena Radke machte ein paar Schritte zurück. Sie zitterte am ganzen Körper, ihre Augen waren schreckgeweitet. Noch einmal stieß sie hervor: »Es war nicht meine Schuld!« Aber niemand hörte auf sie.
    Als sie begriff, dass jedes Wort, das sie zu ihrer Verteidigung vorbrachte, nichts nutzen würde, machte sie auf dem Absatz kehrt. Weg von Katerina, weg vom Strand, weg von dieser wunderbaren Chance, über die sie so glücklich gewesen war.
    Beinahe wäre sie mit Hanna zusammengestoßen, die neugierig hinter ihr erschienen war, noch immer ohne jedes erkennbare Schuldbewusstsein.
    Wie angewurzelt blieb Owena Radke stehen. »Sag der Gräfin, dass es deine Schuld war. Das bist du mir schuldig!«
    Aber Hanna antwortete nicht, sah sie nur mit großen, ausdruckslosen Augen an, als verstünde sie nicht, wovon Owena Radke sprach.
    Die starrte nur kurz in Hannas Gesicht, dann machte sie einewegwerfende Handbewegung. »Von dir kann man nichts erwarten! Es geschieht dir ganz recht, dass du als Krüppel zur Welt gekommen bist! Du hast nichts Besseres verdient!«
    Marinus wandte sich an

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