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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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»Die Töchter meiner Schwester.«
    »Wenn sie weiterhin in meinen Diensten bleiben wollen, sollten sie ebenfalls den Mund halten.«
    Owena Radke stotterte einen Dank hervor, den Graf Arndt sich nicht anhörte. Er stieg langsam wieder zum Strand hinab, mit den gleichmütigen, gemächlichen Bewegungen, die typisch für ihn waren. Graf von Zederlitz ließ sich von keiner Gemütsaufwallung zur Eile antreiben oder aufhalten.
    Als er den Mann sah, der am Fuß der Düne auf ihn wartete, stockte sein Schritt jedoch. »Hast du mich etwa belauscht?«, fuhr er seinen Bruder an.
    Marinus machte nicht den Versuch, sich zu rechtfertigen. »Warum tust du das?«, fragte er. »Warum kommt Hanna ungeschoren davon?«
    »Das geht dich nichts an«, gab Graf Arndt barsch zurück und machte Anstalten, an seinem Bruder vorbeizugehen.
    Doch Marinus ließ sich nicht so einfach abschütteln. Er hielt seinen Bruder am Ärmel fest, was sich kein anderer, nicht einmal Elisa, jemals erlaubt hatte. »Was wirst du Katerina sagen?«
    »Sie wird mich nicht fragen«, gab Graf Arndt zurück. Dann wurde er plötzlich so zornig, dass Marinus den Kopf einzog. »Was ist das für eine Welt, in der ich mich für ein bisschen Mitleid entschuldigen muss?«, fuhr er seinen Bruder an.
    »Du musst dich nicht entschuldigen«, versuchte Marinus es vorsichtig.
    »Erklären will ich es auch nicht«, sagte Graf Arndt leise, aber mit so schneidender Stimme, dass seine Worte die gleiche Wirkung hatten wie ein Wutausbruch. »Ich habe es oft genug getan.« Er trat dicht an Marinus heran, und es war eine Genugtuung für ihn zu sehen, dass sein Halbbruder Mühe hatte, nicht zurückzuweichen. »Ein letztes Mal: Das arme, verkrüppelteMädchen ist in derselben Nacht zur Welt gekommen wie meine gesunde Tochter! Ich habe dieses Kind nach seiner Geburt im Arm gehabt! Ich weiß, ein Fauxpas! Unverzeihlich! Katerina hat es mir oft genug vorgehalten. Das Neugeborene einer armen Fischersfrau! Was geht mich so ein Kind an?« Nun sprach er derart leise, dass seine Worte nur ein wütendes Zischen waren. »Und weil ich so glücklich war … so glücklich über meine gesunde Tochter, habe ich diesem armseligen Kind nach seiner Geburt versprochen, es zu beschützen, soweit es in meiner Macht steht. Verstehst du, Marinus? Ich habe es versprochen, und ein Graf von Zederlitz hält seine Versprechen! Wenn du das nicht verstehst, dann bist du eben doch nur der Bankert eines Dienstmädchens.«
    So wütend war er, dass seine Bewegungen nun doch etwas von ihrem gewohnten Gleichmaß verloren, als er auf den Strandkorb seiner Frau zuhielt, dass er schneller ging als gewöhnlich und damit rechnen musste, dass er seiner Frau diese sichtbare Erregung erklären musste.
    Aber zum Glück war Katerina noch vollauf damit beschäftigt, die Dienstmädchen auf jedes Sandkorn hinzuweisen, das sie in ihrer Kleidung und in ihren Haaren vermutete. Seine Erleichterung darüber, dass sie keinen Blick für ihn hatte, wich jedoch schnell einem schweren Schuldgefühl. Was hatte er getan? Er war mit Marinus so umgegangen wie seine Mutter!

X.
    Alexander von Nassau-Weilburg schien ein junger Mann zu sein, der tat, was von ihm erwartet wurde. Er war elternlos aufgewachsen, bei wechselnden Verwandten, bis er schließlich am rumänischen Hof ein Zuhause gefunden hatte. Die Dankbarkeit, die er Königin Elisabeth entgegenbrachte, sprach aus jedem Satz, den er äußerte, aus jedem Blick, mit dem er sichvergewisserte, dass er alles richtig machte, und aus seinem Lächeln, das immer und vor allem der Königin galt. Er redete nie mit eigener Zunge, sondern versuchte stets, so zu argumentieren wie Königin Elisabeth, ihre Worte zu wählen, ihre Meinung weiterzutragen.
    Elisa verlor schon bald das Interesse an ihm, hielt aber dennoch an ihrer Sympathie für ihn fest. Zwar war er ein gut aussehender Mann mit exzellenten Manieren, der sich ihr in tadelloser Freundlichkeit und Ehrerbietung zuwandte, aber die Unterhaltung mit ihm langweilte sie schon nach wenigen Sätzen. Sie fragte sich sogar, ober er wirklich so gebildet war, wie ihre Mutter behauptet hatte. Ebbo wusste viel mehr vom Leben, von den Menschen, von dem, was überflüssig oder notwendig war, richtig oder falsch, anständig und unanständig. Alexander von Nassau-Weilburg wusste, wie man sich kleidete, wie man sich benahm, wie man mit silbernem Besteck umging und einer Frau Komplimente machte. Er kannte auch die aktuelle politische Lage und wusste, wie man mit ihr

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