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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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Arndt, während die beiden Dienstmädchen sich zusammen mit Elisa darum bemühten, den Sand von Katerinas Kleidung und aus ihren Haaren zu entfernen. »Die Haushälterin hat recht. Das war nicht ihre Schuld!«
    Arndt nickte und machte sich daran, Owena Radke zu folgen. »Ich regele das.«
    Eilig ging er der Haushälterin nach, die mit gesenktem Kopf durch den Sand stapfte. Sogar von hinten konnte man erkennen, dass sie weinte. Ihre Schultern zuckten, hin und wieder wischte sie sich mit dem Unterarm übers Gesicht.
    Marinus fiel auf, dass Hanna von seinem Bruder mit keinem Blick und keinem Wort bedacht wurde. So, als hätte sie mit der Angelegenheit nichts zu tun. Das kam Marinus merkwürdig war. Und das war auch der Grund, warum er seinem Bruder folgte …
     
    Geesche saß auf der Bank vor dem Haus, von köstlicher Ruhe umgeben. Nicht nur aus der Stille in der Natur war diese Ruhe gemacht, nicht nur aus der Abwesenheit anderer Menschen, sondern vor allem aus dem Frieden, der in ihr war. Müde war sie, aber zufrieden, wie immer nach einer glücklichen Geburt. Im Gebärzimmer schlief die Frau eines Kapitäns, in der Wiege neben ihr der neugeborene Sohn.
    Dr. Nissen saß neben Geesche, entweder unter dem Eindruck eines ähnlichen Gefühls oder aber einfühlsam genug, sie in ihrer Zufriedenheit nicht zu stören.
    Schläfrig sagte er: »Man hätte einen Dammschnitt machen können. Der heilt schneller.«
    »Der Damm ist gerissen. So wie immer. Das heilt auch.«
    »Aber nicht so schnell. Wenn ein Arzt bei der Geburt dabei ist, kann ein Dammschnitt gemacht werden.«
    Geesche sah zu, wie die Ruhe davonschwebte, wie die Stille vom Schrei einer Möwe aufgepickt und der Friede von einem unerwarteten Windstoß übertönt wurde.
    »Auf Sylt ist kein Mann bei einer Geburt dabei«, sagte sie. »Der Vater nicht und ein fremder Mann erst recht nicht. Auch nicht, wenn er ein Arzt ist.«
    Sie dachte an Graf Arndt von Zederlitz, der in jener Sturmnacht vor sechzehn Jahren keinen Augenblick daran gedacht hatte, seine Frau allein zu lassen.
    »Es werden in den nächsten Jahren immer mehr Sommerfrischler kommen«, wandte Dr. Nissen ein. »Auf Sylt wird sich manches ändern.«
    »Nicht von heute auf morgen. Nur weil reiche Leute hier ihre Ferien verbringen, werden die Sylter nicht damit einverstanden sein, dass bei der Geburt ihrer Kinder ein Arzt dabei ist.«
    Aber Dr. Nissen schien unbedingt an seiner Meinung festhalten zu wollen. »Sogar die Königin von Rumänien ist nach Sylt gekommen. Die Insel wird hoffähig! Das wird sich in Adelskreisen herumsprechen. Wenn bekannt wird, dass es auf Sylt einen Arzt gibt, der die Hebamme unterstützt, werden auch schwangere Damen auf die Insel kommen. In Hamburg ist es mittlerweile normal, dass eine Frau unter Aufsicht eines Arztes ihr Kind zur Welt bringt. Immer mehr Frauen kommen in die Klinik, um zu entbinden. Sie wissen, dass einer Hebamme Grenzen gesetzt sind, die es für einen Arzt nicht gibt. Das wird sich auch auf Sylt durchsetzen.«
    »Sie wollen also hierbleiben?«
    Nun schien Dr. Nissen plötzlich zu allem entschlossen zu sein. Er griff so schnell nach Geesches Hand, dass sie keine Gelegenheit hatte, sie ihm zu entziehen. »Frau Jensen! Geesche! Ich würde gerne in Hamburg alles aufgeben für ein Leben in Westerland. An Ihrer Seite! Wir würden uns beruflich ergänzen. Und privat auch.«
    Geesche starrte ihn an, als hätte er in einer fremden Sprache zu ihr gesprochen. »Sie meinen …«
    »Wir könnten gemeinsam praktizieren! Sie als Hebamme, ich als Arzt. Und bei schweren Geburten arbeiten wir Hand in Hand. So sieht die Zukunft aus! Auch auf Sylt! Glauben Sie mir.«
    »Sie meinen …«
    Aber auch diesmal ließ er ihre Frage nicht zu. »Ihr Haus ist groß genug. Und es wird noch größer und auch komfortabler werden, wenn der Fremdenverkehr zunimmt. Die Familie von Zederlitz gehört schon jetzt zu meinen Patienten, und die Königin von Rumänien wird bei mir Hilfe suchen, wenn es gesundheitliche Probleme gibt. Das hat sie mir versichert. Dr. Pollacsek steht ebenfalls auf meiner Seite. Wir haben eine große Zukunft vor uns.«
    Dr. Nissen erhob sich so unvermittelt, dass Geesche ebenfalls aufsprang. Im selben Moment merkte sie, dass die Entschlossenheit, die während der letzten Sätze in seiner Stimme herangewachsen war, aus dem Mut der Verzweiflung entstanden war. Der fiel in sich zusammen, als er ihr Auge in Auge gegenüberstand. Geesche begriff, dass Dr. Nissen sich erhoben hatte, um

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