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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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Sorgen«, sagte Katerina.
    »Um Arndt? Ist er krank?« Marinus spürte bereits die Erleichterung nahen, die ihn überkommen könnte, wenn sich herausstellte, dass sein Bruder aufgrund einer großen Sorge und einer körperlichen Schwäche am Nachmittag überreagiert hatte, womit alles zu erklären und zu verzeihen war.
    Aber Katerina schüttelte den Kopf. »Nein, es ist etwas anderes.«
    Plötzlich fiel Marinus der Mann ein, den er bei der Ankunft von Königin Elisabeth beobachtet hatte. Dieser dunkel gekleidete Mann, der so erschrocken gewesen war, als er Arndt und Dr. Nissen vor dem Conversationshaus gesehen hatte. Lag dort der Schlüssel für Arndts ungerechte und heftige Reaktion? »Ist Arndt in irgendwelchen Schwierigkeiten? Hat er sich auf krumme Geschäfte eingelassen?«
    Katerina sah ihn verblüfft an. »Wie kommst du auf so etwas?«
    Marinus wollte es ihr nicht erklären. »Ich dachte nur … Hätte ja sein können …«
    Katerina legte das Buch, das sie bei Marinus’ Eintreten in den Schoß gelegt hatte, zur Seite. Die Entschlossenheit, mit der sie ihm entgegengeblickt hatte, fiel plötzlich von ihr ab. Wären sie nicht auf Sylt, würde Marinus erwarten, dass sie über ihre Schwiegermutter sprechen, deren Intrigen beklagen, sich über ihre Zurückweisung beschweren würde und von Marinus wissen wollte, ob es denn nichts gäbe, womit die alte Gräfin zufriedengestellt werden könnte. Aber hier auf Sylt gab es keine Probleme mit Arndts Mutter. Was also lag seiner Schwägerin auf der Seele?
    »Es geht um Elisas Gesellschafterin«, begann Katerina.
    »Hanna Boyken?«
    Sie nickte. »Wenn sie ein hübsches Mädchen wäre, würde ich denken, Arndt kommt auf seinen Vater.«
    Marinus verstand, was sie meinte. Tatsächlich hatte sein Vater sich für seine lieblose Ehe schadlos gehalten, indem er jedem Rock nachstieg, gleichgültig, wer darin steckte. Nur Marinus’ Mutter hatte ihm etwas bedeutet, alle anderen hatten nur den Zweck erfüllt, sich seine Stärke zurückzuholen, die seine Frau ihm Stück für Stück genommen hatte.
    »So etwas kommt für Arndt nicht in Frage«, sagte Marinus,dessen Gerechtigkeitssinn so ausgeprägt war, dass er seinen Bruder auch dann verteidigte, wenn er selbst von ihm schwer gekränkt worden war. »Er liebt dich.«
    Katerina zuckte zusammen und sah Marinus strafend an. Liebe! Wie konnte er ein solch obszönes Wort in den Mund nehmen! Sie schien nun die Anspielung auf Arndts Vater zu bereuen. Von Liebe redete man nicht. Erst recht nicht, wenn es um Eheleute ging, und auf gar keinen Fall, wenn es um die Ehe zweier Adliger ging, in der die Liebe keine Rolle spielte.
    »Er sagt, er hätte einen Schwur getan«, sagte Katerina verärgert. »In der Nacht, in der Elisa geboren wurde und in der auch diese …«
    Marinus war ihr dankbar, dass sie darauf verzichtete, den Satz zu Ende zu führen. So wenig er Hanna Boyken mochte, so machte ihm die Verächtlichkeit, die ihr überall entgegenschlug, dennoch zu schaffen. Was das Schicksal ihr auferlegt hatte, war schwer genug; dass niemand sie mochte, war eine zusätzliche Bürde. Verächtlichkeit aber hatte sie nicht auch noch verdient.
    »Graf Arndt von Zederlitz bricht einen Schwur nicht«, sagte er schnell.
    »Er hat dir also auch davon erzählt?«
    Marinus nickte. »Das Mädchen tut ihm leid. Er will Hanna gelegentlich einen Vorteil verschaffen, weil sie in ihrem Leben nur Nachteile hat.«
    Er beobachtete Katerinas nervöse Hände, unter denen ihr Taftrock leise raschelte.
    »Du glaubst ihm?«, fragte sie leise.
    »Warum nicht?« Marinus fragte sich, ob Katerina wusste, wie Arndt am Nachmittag die Gerechtigkeit wieder hergestellt hatte, ohne dass Hanna dabei zu Schaden gekommen war. Nein, er war sicher, dass Katerina keine Ahnung hatte. Arndt würde kein Wort darüber verloren haben, ebenso wenig wie Owena Radke und ihre beiden Nichten. Und er selbst warder Sache ja nur auf den Grund gekommen, weil er Arndt belauscht hatte.
    Plötzlich konnte er Katerinas Sorge verstehen. Und dass sie sich mit dem Gedanken gequält hatte, Arndt könnte sich so wie sein Vater die Abhängigkeit einer jungen Frau zunutze machen, verstand er nun ebenfalls. Wenn es um Hanna Boyken ging, wurde Graf Arndt manchmal ein anderer, dann konnte er seinen Halbbruder sogar den Bankert eines Dienstmädchens nennen …
    »Hanna Boyken tut ihm leid«, wiederholte er, weil ihm nichts anderes einfiel. Dass damit Arndts seltsames Verhalten nicht erklärt war, wusste er genauso gut

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