Hebammen-Gesundheitswissen
sich genommen hatte, wurde oft mit künstlicher Nahrung zugefüttert. Ein Abweichen von diesen starren Regeln war kaum möglich. Die Eltern konnten den Umgang mit ihrem Baby erst nach der Entlassung aus der Klinik lernen.
In den 70er- und 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wollten die Mütter diese Trennung nicht mehr, und so setzte nach und nach ein Wandel in der Organisation der Wochenstationen ein.
Heute können Mütter ihre Babys den ganzen Tag bei sich haben, dürfen mit ihnen zusammen im Bett schlafen und sie immer dann anlegen, wenn diese hungrig sind. Den Alltag mit Baby können junge Mütter so schon in der Klinik üben.
Rollenmodelle – und Mythen
Die typischen Bilder, die in Illustrierten und der Fernsehwerbung zu sehen sind, zeigen eine Supermama, einen Superpapa und ein perfektes Baby. Supermama in der Werbung sieht gepflegt aus, hat frisch gewaschenes Haar und einen zur Kleidung passenden Lippenstift. Die Geburt hat keine Spuren hinterlassen. Sie passt in ihre alte, modische Kleidung. Keine nassen Ränder von überlaufenden Brüsten sind auf der perfekt gebügelten Bluse zu entdecken und sie schmeißt sich sogar mit Wucht aufs Sofa.
Sie wartet mit einem Gourmetmahl auf ihren Liebsten, der mit einer gehobenen Mittelklassekarosse gut gelaunt von der Arbeit kommt.
Er ist sofort als Superpapa auszumachen, da er Blumen mitbringt, sich eine gebügelte Schürze umbindet und die letzten Vorbereitungen fürs Abendessen unterstützt. Während des ganzen Spots liegt das Baby in sauberen Windeln, fröhlich glucksend an einer Stelle. Die übliche Abendschreistunde und Bauchweh scheint es nicht zu kennen und ist anscheinend sofort in der Lage, sich dem Leben der Eltern problemlos anzupassen.
Aber nun zur Realität! 15 bis 20 Prozent der Paare sind getrennt oder geschieden, wenn das Kind vier Jahre alt wird. Am häufigsten werden folgende Gründe genannt: Veränderungen in der Beziehung, zu wenig Anteilnahme des Vaters, zu viel Streit und Auseinandersetzung, Enttäuschung und Eifersucht des Vaters, weil sich die Mutter seiner Meinung nach zu sehr ums Kind kümmert.
Die Elternrolle ist wohl doch nicht so leicht einzunehmen, wie die Werbung suggeriert. Es bedarf vielmehr einer großen Offenheit untereinander und vieler neuer Lernprozesse.
Viele Frauen leiden unter der niedrigen sozialen Bewertung, nach der Geburt mit der Rolle »nur Mutter« zu leben. Männer können sich eine Elternzeit oft nicht vorstellen, weil sie mit Karrierebrüchen rechnen. Planen Sie mit eingeschränkten Finanzen, wenn einer von Ihnen zu Hause bleibt. Sprechen Sie über die angestrebte Verteilung der Rollen nach der Geburt des Kindes und bewahren Sie sich die Offenheit, die Modelle wieder zu verändern, wenn alles nicht so klappt, wie Sie sich es vorgestellt haben. Was Sie dabei lernen werden, ist Flexibilität. Das wird für Ihre Beziehung und Ihr weiteres Leben ein großer Gewinn sein.
Hebammen sind für Sie da!
Organisieren Sie, auch wenn Sie die ersten Tage in der Klinik bleiben sollten, für die Frühwochenbettzeit zu Hause neben einer Unterstützung im Haushalt auch eine Hebamme für Betreuung, Beratung und fachkompetente Hilfe. Nach einer außerklinischen Geburt können Mutter und Baby üblicherweise etwa vier Stunden nach der Geburt nach Hause gehen. Hebammenbetreuung und Unterstützung für den Haushalt durch kompetente Haushaltshilfen gehören zum Betreuungskonzept.
Körperliche und seelische Veränderungen
Bei den Arbeitsaufenthalten in anderen Ländern dieser Welt hatten wir immer wieder die Chance zu erleben, wie anders als in unserer Kultur der Start in das Familie-Sein aussehen kann. In vielen sogenannten Entwicklungsländern gilt nach der Geburt für Mutter und Kind eine Schutzzeit von 40 Tagen. Verwandte Frauen übernehmen für diesen Zeitraum die Versorgung der Familie und unterstützen die junge Mutter im Umgang mit dem Neugeborenen. Erst am 41. Tag verlassen die Wöchnerinnen zum ersten Mal das Haus und stellen ihr Baby der Öffentlichkeit vor. Danach gehen sie wieder an ihre Aufgaben. Wenn sie in der Landwirtschaft arbeiten, werden sie bis zum Ende der Stillzeit weiterhin entlastet.
Bei uns sieht die Realität oft ganz anders aus.
Die meisten Frauen verlassen ausgerechnet am zweiten bis dritten Tag die Klinik. Die körperliche und seelische Umstellung befindet sich da gerade auf dem Höhepunkt. Das bedeutet für die Frauen: Brüste, die sich fremd anfühlen, Geburtsverletzungen, die noch nicht verheilt sind,
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